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Publiziert am 10. September 2020 von unter: ,

Arbeitswelt nach Corona (3): Fünf kritische Handlungsfelder

Eine Rückkehr zur Arbeitswelt vor Corona wird es nicht geben, denn die während der Pandemie gemachten Erfahrungen wirken nach. Wie aber wird die „neue Normalität“ aussehen? In einer drei-teiligen Beitragsreihe nimmt das QSC-Blog aktuelle empirische Studien zu dieser Frage unter die Lupe. Im Fokus des dritten Teils: wo Unternehmen nachrüsten sollten.

 

Hund sitzt vor Laptop und nimmt an Videokonferenz mit vielen anderen Hunden Teil

Alles im Blick? Dann kann es ja losgehen mit dem erfolgreichen Arbeiten im Home Office! Bild: © RichLegg / Getty Images

Corona als Experiment: Eine Erfolgsgeschichte?

Viele Transformationsberater plädieren heute für Experimente als geeignetes Mittel, um das sprichwörtliche Beharrungsvermögen von Organisationen aufzubrechen und – basierend auf den Erfahrungen, die Mitarbeiter und Führungskräfte dabei sammeln – einen Kulturwandel zu unterstützen. In der Systemtheorie spricht man in diesem Zusammenhang auch von bewussten Irritationen. Wer es genauer wissen will: hier ein QSC-Blog-Beitrag zum Kulturwandel durch Experimente sowie ein Beitrag von Mark Poppenborg zur Frage „Wie lassen sich Organisationen wirksam irritieren?”

Die Corona-Pandemie lässt sich als solches Experiment betrachten, wenngleich die Irritation hier nicht bewusst herbeigeführt wurde. Vielmehr sahen sich die Unternehmen quasi über Nacht gezwungen, ihre Arbeitsorganisation komplett zu verändern. Die während Corona gemachten Erfahrungen – so die Ausgangsthese unserer dreiteiligen Beitragsserie, die mit diesem Text abgeschlossen wird – sind geeignet, die Arbeitswelt nachhaltig zu verändern.

  • Teil 1 der Beitragsreihe lieferte einen Überblick zu empirischen Studien, die im Frühjahr und Frühsommer 2020 durchgeführt wurden, um die Erfahrungen von Fach- und Führungskräften beim Arbeiten während Corona nachzuzeichnen und zu vermessen.
  • Im zweiten Teil der Reihe wurden zentrale Ergebnisse der vorgestellten Studien zu einem Gesamtbild zusammengeführt.

Betrachtet man die in Teil 2 präsentierten Studienergebnisse aus Perspektive der Befürworter neuer Arbeitswelten, so lässt sich das Corona-Experiment durchaus als Erfolg verbuchen. Der Großteil der Unternehmen meisterte die kurzfristige Umstellung auf Home-Office relativ geräuschlos. Das Arbeiten von zu Hause wurde von den meisten Mitarbeitern unter dem Strich positiv erfahren – wobei die Produktivität nicht merklich abnahm. Der Weg zu modernen, stärker diversifizierten Arbeitsmodellen scheint geebnet.

 

Die Gestaltung neuer Arbeitswelten ist kein Selbstläufer: fünf kritische Handlungsfelder

Euphorie ist dennoch fehl am Platz. Denn in den Studien wurden auch Probleme der Home-Office-Arbeit identifiziert, die über einen begrenzten Zeitraum während einer Ausnahmesituation (dem Lockdown) tolerabel erscheinen, aber dauerhaft nicht tragbar sind. Vor diesem Hintergrund sollten die Studienergebnisse auch zum Anlass genommen werden, kritische Themen auf dem Weg zu modernen, flexiblen und mitarbeiterfreundlichen Arbeitswelten endlich anzupacken.

Als Essenz aus der Gesamtschau der Studienresultate lassen sich im Wesentlichen fünf Handlungsfelder ableiten, die für die Gestaltung der Arbeitswelt nach Corona kritisch sind:

1.Technische Infrastruktur: Cloud-Migration, Home-Office-Einrichtung und Sicherheit

2.Zusammenarbeit: von Video-Chats zur verteilten Projektarbeit und sozialen Vernetzung

3.Arbeitsorganisation: Flexibles Arbeiten braucht einen flexiblen Rahmen

4.Soziale Interaktion: menschliches Miteinander und Coaching der Berufsanfänger

5.Führungskräfte: Führung auf Distanz muss erlernt werden

Sie werden nachfolgend vorgestellt und diskutiert.

 

1. Technische Infrastruktur: Cloud-Migration, Home-Office-Einrichtung und Sicherheit

Dass die Umstellung auf Home-Office während Corona vergleichsweise geräuschlos vor sich ging, ist zuvorderst ein Erfolg der Digitalindustrie. Dienste für Austausch und Kommunikation, insbesondere Videokonferenzen, waren ad hoc als Public-Cloud-Service verfügbar und liefen weitgehend stabil.

Um im Home-Office effektiv zu arbeiten, reichen aber Austauschdienste nicht aus. Die Mitarbeiter müssen hierzu auch flexibel und sicher auf Dokumente und Kernanwendungen zugreifen, was – wie unter anderem die Studien von DAK-Gesundheit und LinkedIn belegen – in vielen Unternehmen bislang nur eingeschränkt möglich ist. Für einen begrenzten Zeitraum kann man an dieser Stelle sicher improvisieren, auf Dauer aber ist diese Situation nicht haltbar und sind Produktivitätseinbußen vorprogrammiert.

Was ich sagen möchte: Bei der Cloud-Migration – also der Überführung der gesamten Infrastruktur auf flexible, cloudbasierte Betriebsmodelle – sowie bei der damit einhergehenden Modernisierung der Anwendungslandschaft stehen die meisten Unternehmen noch ganz am Beginn. Wer die Arbeitswelt dauerhaft flexibilisieren will, sollte, ja muss in diesem Bereich ansetzen.

Dabei sollte man sich auch nicht von dem naiven Glauben leiten lassen, dass die Überführung der gesamten Unternehmens-IT in die Cloud ähnlich einfach und reibungslos vonstattengeht wie die Adoption von Public-Cloud-Videoservices während Corona. Die Cloud-Migration ist ein schwieriges, langwieriges Vorhaben, das mit Risiken einhergeht. Wer hier den Holzhammer ansetzt, so zeigt unter anderem dieser Blogbeitrag, landet allzu leicht in der Kostenfalle.

Mehr noch: Wenn Mitarbeiter zukünftig regelmäßig von zu Hause arbeiten sollen, benötigen sie neben Laptop, Smartphone, Internet- und VPN-Anbindung auch eine ergonomisch passende Büroeinrichtung inklusive Bürostuhl, Schreibtisch und zweitem Bildschirm. Ansonsten werden Rückenschmerzen – über die in der Erhebung von Fraunhofer IAO zirka 40 Prozent der Befragten klagen (bei zehn Prozent sei dies häufig der Fall) – weiter um sich greifen. Die Studienautoren verweisen zurecht darauf, dass hier auch die Arbeitgeber in der Verantwortung stehen.

Last, but not least: Wer das Unternehmen für flexiblere Arbeitsmodelle öffnen will, braucht intelligente Mechanismen, um die Daten- und Zugriffssicherheit zu gewährleisten. Die alte Methode – alles zusperren und dicht machen – funktioniert hier nicht. Kurzum: Cyber Security, einschließlich Access & Identity Management, bleibt ein Kernthema bei der Einrichtung neuer Arbeitswelten.

 

2. Zusammenarbeit: von Video-Chats zur verteilten Projektarbeit und sozialen Vernetzung

Viele Studienteilnehmer zeigten sich überrascht, wie gut Videokonferenzen zu bedienen sind und wie einfach sie funktionieren. Gut so! Aber Videoschalten sind noch nicht hinreichend, um dauerhaft die Projektzusammenarbeit verteilt arbeitender Teams sicherzustellen. Hierfür bedarf es unter anderem auch virtueller Räume zur gemeinsamen Bearbeitung, Diskussion und Ablage von Dokumenten. In Collaboration-Plattformen wie Microsoft Teams sind diese Funktionalitäten schon enthalten. Deren Potenzial wird aber in den meisten Unternehmen bislang nicht erschlossen.

Um dieses Potenzial auszuschöpfen, reicht es jedoch nicht aus, die Nutzung weiterer, über Video Conferencing hinausreichender Funktionen solcher Plattformen für die Belegschaft einfach nur „freizugeben“. Der Einsatz von Plattformen wie Microsoft Teams – dies ist eine zentrale Erkenntnis, die in diesem Blog-Beitrag vorgestellt wurde – braucht eine professionelle Begleitung. Sonst ist Wildwuchs vorprogrammiert.

Mehr noch: Collaboration-Plattformen wie Microsoft Teams sind prädestiniert zur Unterstützung der Projektarbeit in verteilten Teams, aber kein geeignetes Werkzeug, um einen offenen Austausch im Unternehmen zu fördern und Silos abzubauen – wie in diesem Blog-Beitrag diskutiert wird. Wer flexible Arbeitswelten im Unternehmen schaffen will, sollte sich nicht nur mit der Implementierung und Adaption von Collaboration-Plattformen, sondern auch mit der Etablierung von sozialen Unternehmensnetzwerken (auch Enterprise Social Networks oder ESNs) befassen.

 

3. Arbeitsorganisation: Flexibles Arbeiten braucht einen flexiblen Rahmen

Die meisten Betriebsvereinbarungen sind – Stand heute – nicht auf Home-Office-Arbeiten ausgelegt. In einer Ausnahmesituation, wie während des Lockdowns, mag dies tolerierbar sein. Wenn es Not tut, muss man eben mal improvisieren. Dauerhaft aber braucht es Regelungen für die Übernahme von Kosten und Risiken, die mit der Arbeit von zu Hause einhergehen. Nicht umsonst bewerten 58 Prozent der von Fraunhofer IAO befragten Führungskräfte fehlende Betriebsvereinbarungen als wesentlichen Hinderungsgrund für Remote Work.

Mehr noch: Produktive Home-Office-Arbeit basiert darauf, dass die Mitarbeiter sich die Zeiten selbst einteilen. Nicht die Anwesenheitszeiten, sondern die Ergebnisse zählen. Vor diesem Hintergrund ist nur allzu verständlich, dass 69 Prozent der in der Studie von Adecco Group befragten Arbeitnehmer ein Ende der rigiden stundenbasierten Arbeitsverträge fordern.

Freilich birgt die Gestaltung von Betriebsvereinbarungen und Arbeitsverträgen für eine flexiblere Arbeitswelt auch Konflikte. Mitarbeiter im Home-Office benötigen einerseits ausreichend Gestaltungsfreiheit und andererseits einen Rahmen, der Selbstausbeutung vorbeugt. Beide Aspekte sollten gesehen und berücksichtigt werden. Umso wichtiger auch, dass begleitend zur Schaffung des passenden Rahmenwerks das soziale Miteinander im Unternehmen gewährleistet wird – wie nachfolgend angeführt.

 

4. Soziale Interaktion: menschliches Miteinander und Coaching der Berufsanfänger

Die Umstellung auf Home-Office – dies zeigen die für diese Beitragsreihe ausgewerteten Studien sehr klar – geht leicht mit Abstrichen bei der sozialen Interaktion einher. Insbesondere bei Berufsanfängern führt diese Situation schnell zur Verunsicherung und Überforderung. Wer als Unternehmen Home-Office-Tätigkeiten auf Dauer ausweiten will, muss hier zwingend gegensteuern.

Dass vor diesem Hintergrund eine hundertprozentige Home-Office-Tätigkeit die Ausnahme darstellen und nur erfahrenen Mitarbeitern vorbehalten bleiben sollte, erscheint nachvollziehbar. Genauso wichtig ist es, sich Zeit für den Small Talk vor den virtuellen Meetings oder einem Plausch mit Kollegen in der Mittagszeit zu nehmen. Menschliche Nähe fördert die Beziehungsqualität und so auch die Effektivität der Zusammenarbeit. Und bei all dem benötigen jüngere Mitarbeiter und Berufsanfänger eine besondere Aufmerksamkeit – sie wollen und müssen an die Hand genommen werden.

Im Zuge der Corona-Pandemie sammelten wir unter dem Hashtag #WirGewinnt zahlreiche Artikel mit vielfältigen Hinweisen, wie sich soziales Miteinander in den Unternehmen trotzt Distanzgebot herstellen lässt. Sie sind in diesem Beitrag aufgeführt.

 

5. Führungskräfte: Führung auf Distanz muss erlernt werden

Führungskräfte spielen bei der Flexibilisierung der Arbeitswelt eine zentrale Rolle – gerade auch, wenn es darum geht, der sozialen Entgrenzung entgegenzuwirken. Doch ausgerechnet diese Gruppe zeigte sich bei der Umstellung auf Home-Office aufgrund der Pandemie als überdurchschnittlich verunsichert und gestresst (siehe unter anderem Studien von LinkedInAdecco und Fraunhofer IAO).

Vor diesem Hintergrund verwundert es auch nicht, dass oft altgediente Manager im Zuge der Lockerungen darauf drängten, den Status-quo wiederherzustellen und Home-Office-Tätigkeiten der Mitarbeiter möglichst schnell wieder zurückzufahren. Freilich werden sie als Grund dafür weniger die eigene Überforderung als vielmehr Vorbehalte gegen das Home-Office ins Feld führen.

Kurzum: Eine dauerhafte Flexibilisierung der Arbeitswelt wird nur gelingen, wenn die Führungskräfte mit an Bord sind. Dies wiederum setzt voraus, dass sie dabei unterstützt werden, Führen auf Distanz zu erlernen. Die während der Corona-Pandemie gemachten Erfahrungen können dabei sicher helfen. Immerhin konstatieren knapp die Hälfte der von Fraunhofer IAO befragten Studienteilnehmer (47 Prozent), dass die Manager im Zuge der Pandemie Vorbehalte abgebaut haben.

 

Fazit: Corona-Experiment ebnet den Weg, die eigentliche Arbeit steht noch bevor

Die Etablierung flexibler Arbeitswelten auf Dauer – so zeigte die Diskussion – braucht deutlich mehr als die vorübergehende Einrichtung von Home-Offices in einer Ausnahmesituation wie Corona. Die überwiegend positiven Erfahrungen aus dem (unfreiwilligen) Corona-Experiment sind inspirierend. Sie zeigen, dass eine Abkehr von tradierten Arbeitsmodellen möglich und auch lohnend ist. Wer aber als Unternehmen diesen Weg dauerhaft einschlagen will, sollte jetzt damit beginnen, hierfür die Hausaufgaben zu erledigen.

Ob Cloud-Migration, Betriebsvereinbarungen oder Führungskräfteschulung: Die eigentliche Arbeit beginnt jetzt erst. Sie ist mühselig, kostspielig und birgt auch Risiken. Die Etablierung moderner Arbeitsumgebungen wird vor diesem Hintergrund nur gelingen, wenn sie strategisch gewollt ist und alle Stakeholder – von der IT über HR bis hin zu den Fachbereichen – bei der Planung und Umsetzung der Maßnahmen an einem Strang ziehen.

 

Abschließend möchten wir Sie, liebe Leserin/lieber Leser nochmals dazu einladen, uns weitere – aus Ihrer Sicht wichtige – Studien vorzuschlagen. Haben Sie ggf. in Ihrem Unternehmen eigene Erhebungen durchgeführt? Wenn ja: Was sind die zentralen Erkenntnisse daraus? Wir werden die Linksammlung regelmäßig erweitern und Erkenntnisse daraus für den praktischen Gebrauch aufbereiten. Darüber hinaus freuen wir uns auf Ihre Beobachtungen und Überlegungen: Stimmen die hier vorgestellten Ergebnisse und Schlussfolgerungen mit Ihren eigenen Erfahrungen überein? Welche Aspekte fehlen Ihnen noch? Wir freuen uns über Ihre Rückmeldung an email hidden; JavaScript is required.

(Hinweis: Die E-Mail-Adresse wurde nach dem Rebranding des Unternehmens von QSC zu q.beyond am 22.09.2020 angepasst)

 

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