Cloud Computing für den Mittelstand – Ulrich Hacker im Interview
Ulrich Hacker leitet seit kurzem das Q-loud-Team der QSC AG. Dessen Aufgabe und Ziel ist die Entwicklung von Cloud-Computing-Diensten, die mittelfristig eine tragende Säule der zukünftigen QSC darstellen sollen.
Im Interview erklärt Hacker, wie Cloud Computing die ITK-Industrie verändert und welche Rolle QSC dabei spielen kann.
Herr Hacker, das Thema Cloud Computing begeistert einerseits die ITK-Welt. Andererseits bleibt der Eindruck, dass der Wolke noch die Erdung fehlt. Sind Cloud-Services bereits praxistauglich?
Hacker: Cloud Computing ist längst Realität. Die Dienste von Youtube, Google und Amazon bedienen sich dieser Technologie – und beherrschen damit das Internet. Doch diese erste Generation von Cloud Computing ist nicht auf die Bedürfnisse von Unternehmen zugeschnitten. Bei der Übertragung auf diese Zielgruppe befinden wir uns noch am Anfang – in einer ganz frühen Marktphase.
Wie muss man sich diese frühe Marktphase vorstellen?
Hacker: Die Cloud der zweiten Generation wird gerade erst erfunden. Es ist wie bei der Industrialisierung im 19. Jahrhundert: Für die Dampfturbine gibt es schon Ingenieurzeichnungen, aber sie ist noch nicht gebaut.
Vor so einer Industrialisierung stehen wir auch beim Cloud Computing. Wir haben noch keine einfachen Lösungen, die den Bedürfnissen der Kunden entsprechen. Damit wir dorthin kommen, entwickelt QSC gerade eine offene Plattform. Sie soll es externen Anbietern ermöglichen, eigene Tools zu entwickeln und einzubringen. Das könnte etwa so funktionieren wie mit den Apps für iPhones: QSC betreibt die technologische Basis, aber viele Module werden von anderen geliefert.
Wer sind die Player in diesem Markt der Next Generation Cloud?
Hacker: Interessanterweise zählen zu den Vorreitern viele, die nicht zu den klassischen IT-Anbietern gehören. Da spielt eine Cisco mit, die bisher Netzwerkanbieter war. Die Deutsche Telekom oder auch die QSC AG kommen aus der Telekommunikation. Das mag damit zu tun haben, dass diese Unternehmen keine Rücksichten darauf nehmen müssen, ihren Kunden bisher andere IT-Services verkauft zu haben. Anders ausgedrückt: Es gibt keine Angst vor internen Kannibalisierungseffekten, die sie aufhalten könnte.
Wieso soll ein mittelständisches Unternehmen wie QSC hier erfolgreich sein – gegen Mitbewerber wie Telekom oder Microsoft?
Hacker: Aus verschiedensten Gründen ist QSC hier bestens aufgestellt – und hat damit die Chance, mittelfristig zu den führenden Cloud-Computing-Anbietern im europäischen Markt zu gehören. Lassen Sie mich dazu folgende Punkte nennen:
- Kleine und mittlere Unternehmen werden besonders gut von Cloud Services profitieren können. Sie finden im Mittelständler QSC einen Partner, der sie versteht und ihnen daher bestens passgenaue Services anbieten kann.
- Cloud Computing funktioniert nur, wenn Austausch und Transport von Daten reibungslos und sicher vonstatten gehen. Und QSC besitzt die dafür wesentliche Fähigkeit: Wir verstehen etwas von Netzwerktechnologie.
- Hinzu kommt: Als kleineres Unternehmen sind wir schneller und wendiger als andere und können uns damit im Cloud-Markt einen Vorsprung erarbeiten.
- In den vergangenen zwei Jahren hat QSC die Entwicklungen beim Cloud Computing genau beobachtet und sich mit interessanten Partnern vernetzt. Das ist eine hervorragende Ausgangsbasis und kommt uns jetzt zugute.
Doch wie wollen Sie Unternehmen dazu bringen, ihre geschäftskritischen Prozesse der Wolke anvertrauen. Die immer wiederkehrende Frage lautet doch: Was passiert mit meinen Daten, wenn ich sie in fremde Hände gebe?
Hacker: Eine unserer Hauptaufgaben ist: Cloud-Technologien zu entwickeln, die Vertraulichkeit und Authentizität der Daten garantieren. Kunden müssen stets vollständig die Kontrolle über ihre Prozesse und Anwendungen behalten können. Cloud Services werden nur erfolgreich sein, wenn sie das gewährleisten. Mein Team und ich haben uns vorgenommen, QSC zu einem besonders vertrauensspendenden Cloud-Computing-Anbieter zu machen.
Trotzdem mag die Angst bleiben, sich von einem Cloud-Anbieter abhängig zu machen.
Hacker: Wir werden unsere Cloud so gestalten, dass die Kunden ihre Daten problemlos wieder herausnehmen können. Dann entstehen auch keine Abhängigkeiten, vor denen sie Angst haben müssten. Meine Überzeugung ist ohnehin: Man behält keine Kunden, indem man sie nötigt.
Wie werden Unternehmen von Ihren Cloud-Diensten profitieren können? Geht es da um Kostenreduzierung?
Hacker: Das Thema Kosten wird meiner Meinung nach in der Cloud-Diskussion oft falsch behandelt. Es geht doch um richtige, passgenaue Anwendungen und Services durch die Cloud. Um Zusatznutzen. Man könnte vielleicht von kostenoptimalen Lösungen sprechen, aber nicht primär von Kostenreduzierung.
Bisher ist es doch so, dass viele Unternehmen große, komplexe IT-Systeme nutzen, die unflexibel und teuer sind und die Geschäftsprozesse nur ungenügend abbilden. Das Ergebnis ist suboptimal. Und da viele Firmen dieselben Systeme nutzen, kommt überall dasselbe dabei heraus. Es findet keine Differenzierung statt. Die IT-Abteilung hemmt damit vielerorts die Geschäftsentwicklung mehr, als dass sie sie fördert.
Cloud Services dagegen arbeiten viel mehr mit Modulen und kleinen Applikationen. Damit lassen sich zum Beispiel spezifische Produktionsabläufe abbilden. Das macht den Anwender schlagkräftig und schnell. Seine besonderen Stärken und Alleinstellungsmerkmale lassen sich damit besser umsetzen als mit traditioneller EDV. Positiver Effekt für die IT-Abteilung: Sie kann für das Unternehmen wieder ein Faktor für den Wettbewerb sein – und intern eine Aufwertung erfahren.
Gibt es bereits definierte Anwendungsbeispiele oder erste Kunden?
Hacker: QSC hat mit ihrem SensorCloud-Projekt einen Förderpreis des Bundeswirtschaftsministeriums gewonnen. Im Rahmen dieses drei Jahre laufenden Projektes planen wir Anwendungen in der Gebäudeleittechnik, der Home Automation und der Maschinenüberwachung. Dabei arbeiten wir mit externen Partnern aus der Industrie zusammen.
Intensiven Kontakt haben wir auch zu kommunalen Unternehmen. Die interessieren sich zum Beispiel sehr für Cloud Computing, weil sie damit ihren CO2-Footprint verbessern wollen. Stichwort: IT2Green, ein Projekt des Bundeswirtschaftsministeriums. Wer seine Daten in die Wolke auslagert, kann im eigenen Gebäude lüfterlose Hardware einsetzen und so genannte „dünne Clients“, also weniger leistungsfähige Rechner. Die produzieren deutlich weniger CO2.
Sie sehen an diesem Beispiel: Cloud Computing bringt eine ganz neue Qualität. Die Nutzer werden leistungsfähiger, besser, umweltfreundlicher.
Sie arbeiten im Rahmen des SensorCloud-Projekts eng mit Hochschulen zusammen. Welche Bedeutung haben diese Kooperationen?
Hacker: Wir pflegen einen regen Austausch: Einerseits bringen wir den Wissenschaftlern unsere Marktkenntnis und unser Wissen um die Bedürfnisse der Kunden. Denn um die geht es ja letztlich – und nicht darum irgendwelche Technologien zu schaffen, die niemand benötigt.
Andererseits haben wir mit den Wissenschaftlern Gesprächspartner gefunden, die uns die technologische Messlatte zeigen, an der wir uns bei der Entwicklung unserer Dienste orientieren müssen, wenn wir oben mitspielen wollen. Unsere Aufgabe ist es, die Uni-Leistung in die Praxis zu transformieren. Wir können unsere Performance jederzeit an ihren Standards überprüfen und uns so vor Fehlern schützen.
Dabei ist uns völlig klar: So eine Kooperation funktioniert dann, wenn man auf Augenhöhe miteinander agiert. Wir müssen also genauso gut sein wie unsere Partner in den Hochschulen.
Mit Cloud Computing entwickeln Sie ein völlig neues Geschäftsfeld für die QSC AG? Wie reagieren die Mitarbeiter des Unternehmens darauf?
Hacker: In den vergangenen Wochen haben wir für unser Projekt getrommelt und geworben – und bereits jede Menge Zustimmung und Unterstützung erhalten. Viele haben sich gefreut, dass wir für die SensorCloud einen Förderpreis erhalten haben.
Mitarbeiter aus allen Bereichen des Unternehmens engagieren sich bereits in unserem Team. Zum harten Kern zählen derzeit Arend Braun, Roland Hänel, Stefan Heuer, Heny Kamoun, Andreas Mager, Frank Radeck, Peter Reibel, Andreas Schmidt, Sascha Aßbach, Stefan Barth und Ralf Weber. Schirmherr unseres Projekts ist niemand Geringeres als QSC-Chef Bernd Schlobohm.
Im Übrigen bietet das Q-loud-Projekt weiteren Mitarbeitern Möglichkeiten der beruflichen Weiterentwicklung. Nähere Informationen gebe ich gerne im persönlichen Gespräch.
Über Ulrich Hacker:
Der Elektro-Ingenieur bezeichnet sich selbst als „Internet-Urgestein“. Er verfügt über nahezu 20 Jahre Erfahrung in der Forschung und Entwicklung von Technologien zur Errichtung von physikalischen Großexperimenten. Dazu zählen auch Forschungsaufenthalte in Labors für Beschleuniger in den USA, Kanada, Japan, Frankreich, der Schweiz und England. Gleichzeitig war er erfolgreicher Unternehmensgründer in der ITK-Industrie: zunächst in der PC-Fertigung, später für Bankensoftware und vor allem als Gründer und Chef einer regionalen Telefongesellschaft. Ulrich Hacker ist seit 2009 Mitglied des Q-loud-Projektteams von QSC.
Kommentare
„Eine unserer Hauptaufgaben ist: Cloud-Technologien zu entwickeln, die Vertraulichkeit und Authentizität der Daten garantieren. Kunden müssen stets vollständig die Kontrolle über ihre Prozesse und Anwendungen behalten können. Cloud Services werden nur erfolgreich sein, wenn sie das gewährleisten.“
Sehr schönes Interview, das die Herausforderungen des Cloud Computings für den Mittelstand auf den Punkt bringt. Wir teilen die Beobachtung, dass sich die Cloud Dienste gerade bei „älteren Semestern“ noch schwer vermitteln lassen. Zu groß ist die Angst, Kontrolle und Schutz der Daten aufgeben zu müssen. Hier helfen nur transparente Services, die hochwertig und zertifiziert sind.
Kollegiale Grüße_ Timm
Erstens Mal ist „clouding“ keine neue Erfindung. Es gab zur Jahrtausendwende schon Versuche mit Cluster-Servern Applikation webseitig bereitzustellen.
Ausserdem sind – und bleiben – clouds Spielzeug „für ’ne mp3 oder’n Bild‘ solange die Infrastruktur fehlt.
Damit gemeint sind die „1 MBit“ Upload-Geschwindigkeiten in Deutschland.
Es ist so, als wenn man das erste Auto erfindet:
Sieht toll aus – gab’s noch nie – bleibt aber stehen weil bisher keiner an Strassen gedacht hat.
Wie soll ich im Mittelstand irgendwas bewegen, wenn der Zeitverlust aufgrund der Upload-Geschw. sich mal so gar nicht rechnet.
Der „Cloud-Hype“, meiner Meinung nach, hat nur einen Grund:
„The Franchise hasn’t been sold, YET!“. Es ist – auf die kommenden 10 Jahre,
die allerletzte Möglichkeit, den Fuss in die „Social-Networking“ Tür zu bekommen
um sich noch ein Stück Markt abzugreifen.
Am Ende wird’s genau so Ende wie mit dem UMTS-Hype..
wäre nicht der erste Zug, den QSC verpasst..
grüsse
nonspin
Sehr geehrter nonspin,
vielen Dank für Ihren Kommentar. Was ich Ihrer Kritik entnehme ist, dass für die sinnvolle Nutzung von Cloudanwendungen die Infrastruktur und die Bandbreite fehle. Aber genau das bietet die QSC als IT- und(!) TK-Anbieter: Eine bundesweite Infrastruktur mit unterschiedlichsten Access-Varianten die eben keine 1-Mbit Grenze darstellt. Die 1-Mbit-Grenze beim Upload gibt im Privatkundengeschäft mit ADSL2+. Im Geschäftskundenumfeld Mittelstand sprechen wir von SDSL, WLL, Glasfaser, etc. mit symmetrischen Bandbreiten von 1,2,5,10,20,100 Mbit/s bis hoch in den Gigabit-Bereich.
Wenn ich etwas in die Cloud „packe“, dann brauch ich entsprechend Bandbreite – die Einsparungen (in Infrastruktur vor-Ort) oder der Komfortgewinn muss für den Kunden & Benutzer so groß sein, dass sich der (Mehr-) Preis für eine adequate Anbindung relativiert … oder besser noch – gerne getragen wird ;-)
-Matthias
PS: Wir setzen bereits in den meisten Bereichen auf Cloud-Lösungen bzw. Hosted Applications … und haben den Schritt nicht bereut …