ACTA und die Providerhaftung
Das Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA), ein multilaterales Handelsabkommen auf völkerrechtlicher Ebene zur Eindämmung der Produktpiraterie und Urheberrechtsverletzungen, schlägt in der politischen und medialen Diskussion hohe Wellen. ACTA wird von unterschiedlichen Seiten teils als schwerer Eingriff in bürgerliche Freiheiten gesehen, teilweise als substanziell geringe Neuerung zur bereits bestehenden Gesetzeslage in Deutschland. Am Wochenende fanden bundesweit in mehreren deutschen Städten Demonstrationen statt. Und auch wir bekommen Anfragen, ob die Daten unserer Kunden in Zukunft noch sicher sind.
Ein großer Kritikpunkt der ACTA-Gegner ist das Zustandekommen unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit. Und selbst der Deutsche Journalistenverband, der sich grundsätzlich für einen verstärkten Schutz der Urheberrechte im Internet einsetzt, kritisierte:
„Die gesetzestaugliche Formulierung, um die Interessen von Urhebern und Nutzern zum Ausgleich zu bringen, sollte so transparent wie möglich erfolgen. Quelle: djv“
Mit der Heimlichtuerei habe man Proteste gegen ACTA provoziert und den berechtigten Urheberinteressen einen Bärendienst erwiesen.
Viel Verwirrung um ACTA
Doch auch der Inhalt von ACTA selbst sorgt für Verwirrung. Kritikpunkt ist die oft sehr schwammige Formulierung, die nach Ansicht der Kritiker viel zu viele Unsicherheiten schafft. So lesen einige aus dem ACTA-Abkommen, dass Internet-Zugangsanbieter zukünftig den Datenverkehr ihrer Kunden auf Urheberrechtsverstöße überprüfen müssten. Andere wiederum finden eben diese Passage dort nicht. IT-Fachanwalt Thomas Stadler aus München schreibt in seinem Blog:
„Auch die des öfteren aufgestellte Behauptung, ACTA würde Internet-Provider dazu verpflichten Online-Inhalte zu überwachen, findet im Vertragtext keine Stütze.“ Quelle: Internet-Law Blog
Fakt ist, in der finalen Fassung vom 23. August 2011 finden sich unter Artikel 27 Absatz 4 des Abkommens Passagen wie diese:
„Jede Vertragspartei (gemeint sind hier die Unterzeichnerstaaten Anm. d. Red.) möge, in Übereinstimmung der Gesetze und Regeln, zusammen mit den zuständigen Behörden Online Service Provider dazu auffordern, zügig notwendige Informationen zur Identifizierung eines Kunden den jeweiligen Rechteinhabern auszuhändigen, dessen Account für eine Urheberrechtsverletzung genutzt wurde…“
Das klingt noch nicht nach einer anlasslosen Datenüberwachung durch die Zugangsprovider, sondern nach dem, wozu Anbieter nach geltendem deutschen Recht ohnehin schon verpflichtet sind: Gegenüber Strafverfolgungsbehörden, staatlichen Sicherheitsdiensten und Gerichten Auskünfte über Kundenanschlüsse zu erteilen, sollte der Verdacht einer illegalen Handlung bestehen.
Aber vielleicht sind es Passagen wie diese, die für Unsicherheit sorgen: So ist in Artikel 28 Absatz 2 unter der Überschrift „Durchsetzungpraktiken“ zu lesen:
„Jede Vertragspartei sollte das Sammeln und Analysieren von statistischen Daten und anderen relevanten Informationen über Verstöße gegen Rechte an geistigem Eigentum fördern sowie Informationen über bewährte Praktiken zur Verhütung und Bekämpfung der Verstöße sammeln“
Dieser Satz kann vieles Bedeuten. Sollen die Länder also nur Daten über Urheberrechtsverstöße in ihrem Land sammeln und passende Maßnahmen entwickeln, wie man diesen am besten begegnet? Das lässt viel Spielraum zur Spekulation. Stellt sich die Frage: Wie sollen solche Daten erhoben werden? Etwa indem die Staaten vielleicht Internet-Zugangsprovider dazu verpflichten, über den Datenverkehr ihrer Kunden zukünftig genauestens Buch zu führen?
Wie auch immer der ACTA Text ausgelegt wird, er schürt schon jetzt Sorgen und Ängste. So erreichen uns dieser Tage auch Anfragen zum Thema Providerhaftung. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ich spreche im Folgenden nur vom so genannten Internet-Zugangsanbieter, der einem Kunden die „Eingangstür“ ins Internet öffnet.
Sollten diese Zugangsanbieter in Zukunft wirklich für die „Taten“ ihrer Kunden im Internet haftbar gemacht werden können, hätte das unweigerlich zur Folge, dass die Anbieter den Datenverkehr ihrer Kunden genauestens überwachen müssten. Jedes einzelne Datenpaket müsste bis aufs kleinste Bit ausgepackt und überprüft werden.
Die Contentüberwachung im Praxis-Check
Doch ist das überhaupt realistisch? Lassen Sie es mich mit einer sprichwörtlichen Analogie versuchen: Genauso könnte man morgen die Post für alles zur Verantwortung ziehen, was ihre Kunden in Briefen und Paketen um den Globus versenden. Egal ob das nun eine illegal kopierte CD, Drogen oder Briefbomben wären. Ein solches Gesetz hätte zur Folge, dass künftig jeder Brief und jedes Paket geöffnet und genauestens auf seinen Inhalt hin überprüft werden müsste. Das würde vielleicht den Arbeitsminister freuen, denn so etwas klingt nach einer Maßnahme zur Vollbeschäftigung im Lande. Doch zahlen die Rechteinhaber für die zu leistende Mehrarbeit? Wer kümmert um die Ausbildung, um Urheberrechtsverstöße oder andere Delikte überhaupt rechtssicher zu erkennen? Ist das verpackte Parfum echt, oder nur eine Nachahmung? Darf der Kunde dieses Medikament bestellen oder hat er es ohne Verschreibung erstanden? Und selbst wenn geschützte Werke in Briefen und Paketen entdeckt werden: Woher nimmt die Post das Wissen, ob der Absender nicht vielleicht das Recht dazu hatte, das entdeckte Werk zu versenden? Nehmen wir an, ein Kunde wird fälschlicherweise der Rechteverletzung beschuldigt. Wie würde die Post vor Regressforderungen, etwa für nicht übermittelte Briefe, ungerechtfertigten Abmahnungen oder die Schmach, eine Nacht unschuldig in Untersuchungshaft gesessen zu haben, geschützt?
Internet-Zugangsanbieter stehen vor genau dem selben Problem: Technisch wäre möglich, Datenpakete automatisiert auf bestimmte Inhalte zu durchsuchen. Nichts anderes geschieht bei einem Virenscanner, der jedes ein- und ausgehende Bit auf verdächtige Signaturen überprüft. Ein solcher „Content-Scanner“ müsste aber mehr können als nur bekannte Signaturen zu erkennen. Er müsste in der Lage sein, Musik, Texte und Bilder eindeutig zu identifizieren. Und nicht nur das, er müsste auch erkennen können, ob der jeweilige Nutzer an eben diesem Werk auch wirklich keinerlei Rechte besitzt, die es ihm erlauben würden, das Werk in diesem Moment per E-Mail zu versenden, es auf irgend eine Webseite zu stellen oder sonst wie digital mit einem oder mehreren Empfängern zu teilen. Denn eine so genannte „false positive“-Erkennung hätte für den Internet-Zugangsanbieter unter Umständen fatale Folgen: Wir kennen das aus dem Bereich der Spam-Filterung. Filtert man zu viel, kommen eventuell wichtige E-Mails nicht mehr beim Empfänger an. Der Anbieter des Spamfilters könnte in Regress genommen werden, wenn aufgrund eines Fehlalarms wichtige Daten nicht übermittelt wurden und dem Kunden dadurch Schäden entstanden sind. Aus diesem Grunde werden Spam-Mails auch vorzugsweise auch nur als Spam markiert und nicht sofort gelöscht. Und wie gut die Spamfilter nach Jahren der Entwicklung heute auch sein mögen: Wir alle wissen, es kommt immer mal der ein oder andere „Lottogewinn aus Spanien“ durch und leider finden wir manchmal die wichtige Mail partout nicht, in der uns der Reiseveranstalter gerade unsere Urlaubstickets übermittelt hat. Statt eines Livescans könnte es natürlich auch auf eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung hinaus laufen, bei der nur im Bedarfsfall noch einmal genauer hingeschaut wird…
Zugangsanbieter als Ermittlungsbehörden?
Selbst wenn es also möglich wäre, eine solche Filtersoftware zu entwickeln: Wer kommt für die Kosten auf? Die Rechteinhaber, die ihre Werke geschützt sehen wollen? Man hört zwar immer wieder von Forderungen, Internet-Zugangsprovider sollten mehr für das Urheberrecht tun, aber von Angeboten, diese Kosten dann auch zu übernehmen, hört man bislang wenig. Internet-Zugangsprovider können nicht zur Wahrung der Interessen einzelner Wirtschaftszweige mit in die Verantwortung gezogen werden. Der Verband der deutschen Internetwirtschaft (eco e.V.) sieht durch ACTA gar das Wirtschaftswachstum bedroht und bringt es auf den Punkt
„Provider werden zu Hilfssheriffs der Rechteinhaber gemacht. Quelle: eco“
Das Telekommunikationsgeheimnis gehört geschützt
Wie immer es am Ende auch um die technischen Lösungsfragen einer allgemeinen Contentüberwachung steht, ob machbar oder nicht, ob finanzierbar oder nicht, ob rechtssicher oder nicht, es gibt noch viel schwerwiegendere Argumente dagegen. Und das ist auch einer der Hauptgründe, warum niemand von der Post das Öffnen ihrer Briefe verlangen würde: Es gibt schließlich noch den grundgesetzlich verankerten Schutz des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses unter letzteres auch die Telekommunikation fällt. Dieses Recht sollte im Interesse der ganz überwiegenden Mehrheit der Internetnutzer auch in Zukunft grundsätzlich geschützt bleiben. In Artikel 10 des Grundgesetzes ist eine Beschränkung nur dann vorgesehen, wenn es „dem Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes“ dient. Zwar können Urheberrechtsverletzungen einzelnen Wirtschaftszweigen unter Umständen schwere Schäden zufügen, dass dadurch aber die freiheitlich demokratische Grundordnung gestört würde, darf getrost bezweifelt werden. Es gilt, die Verhältnismäßigkeit zu wahren.
So urteilte das Landgericht Köln am 31. August 2011 gegen das Unterlassungsbegehren eines Rechteinhabers gegenüber einem Zugangsprovider. In den Enscheidungsgründen führte das Gericht auf:
Die Umsetzung solcher Vorsorgemaßnahmen hätte zur Folge, dass die Beklagte die Datenkommunikation zwischen ihren Kunden […] kontrollieren müsste, wodurch sie Kenntnis von den Umständen der Telekommunikation einschließlich ihres Inhalts erhielte.[…] Die Errichtung solcher Filter- und Sperrmaßnahmen durch den Internetzugangsanbieter als zentrale Schnittstelle für die Datenkommunikation ist ohne gesetzliche Grundlage mit dem durch Art. 10 Abs. 1, Abs. 2 GG geschützten Fernmeldegeheimnisses […] nicht zu vereinbaren. Quelle: telemedicus
Hoffnungsvoll stimmt auch, dass deutsche Gerichte auch im Wettbewerbsrecht Zugangsprovider bereits in der Vergangenheit wiederholt von der Verantwortung für rechtswidriges Verhalten ihrer Kunden im Internet entbunden haben (Urteile: LG Kiel, 23.11.2007, Az. 14 O 125/07, LG Düsseldorf, 13.12.2007 Az. 12 O 550/07, OLG Frankfurt, 21.01.2008, Az 6 W 10/08).
Auch auf europäischer Ebene nährt ein jüngst gefälltes Urteil des Europäischen Gerichtshofes (Az. C-70/10) die Hoffnung, dass eine allgemeine Überwachungspflicht nicht durchsetzbar bleibt, da sie gegen anwendbare europäische Grundrechte verstößt.
(Es) ist festzustellen, dass die dem betroffenen Provider auferlegte Anordnung, das streitige Filtersystem einzurichten, ihn verpflichten würde, eine aktive Überwachung sämtlicher Daten, die alle seine Kunden betreffen, vorzunehmen […]. Daraus folgt, dass diese Anordnung den Provider zu einer allgemeinen Überwachung verpflichten würde, die nach Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 verboten ist. […] Der Schutz des Rechts am geistigen Eigentum ist zwar in Art. 17 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union […] verankert. Gleichwohl ergibt sich weder aus dieser Bestimmung selbst noch aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass dieses Recht schrankenlos und sein Schutz daher bedingungslos zu gewährleisten wäre. […] das Eigentumsrecht […] ist in ein Gleichgewicht mit anderen Grundrechten zu bringen. Quelle: telemedicus
Bliebe am Ende nur noch, die Grundrechte zu ändern. Aber das wollen wir hoffentlich alle nicht. Deutschland hat die Unterzeichnung des ACTA Abkommens vorläufig ausgesetzt. Dabei sollte es bleiben.
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Kommentare
Die Verunsicherung ist auch angebracht. Gerade weil die Politik einem nichts Konkretes sagen kann, wird nicht gerade Vertrauen aufgebaut und das hat die EU sich ausschließlich selbst zuzuschreiben.
Jede Vertragspartei (gemeint sind hier die Unterzeichnerstaaten Anm. d. Red.) möge, in Übereinstimmung der Gesetze und Regeln, zusammen mit den zuständigen Behörden Online Service Provider dazu auffordern, zügig notwendige Informationen zur Identifizierung eines Kunden den jeweiligen Rechteinhabern auszuhändigen, dessen Account für eine Urheberrechtsverletzung genutzt wurde…“
dies lässt tief blicken, und auch der hinweis auf evtl. bestehende regeln und gesetze ist bloss ein feigenblatt. hier steht ganz ausdrücklich nichts von einem richterlichen vorbehalt, ganz im gegenteil. hier sollen daten nicht an strafverfolgungsbehörden gegeben werden, sondern an die rechteinhaber. grund hierfuer liegt imho in dem verlangen drastische exempel zu statuieren und weiterhin überzogene „nach“forderungen an schreckliche rechtsbrecher zu versenden.
natürlich ist mir klar das atm die rechtslage zumindest in der brd anders gestaltet ist, aber das kann mich ehrlich gesagt nicht so recht beruhigen, denn sobald die eu auf die us interessen eingeschworen ist, wird halt eine richlinie erlassen, welche auch uns auf kurs bringt. natürlich kann man dies in den bereich paranoia verbannen und sagen macht euch doch keinen kopf um ungelegte eier, ABER das gesamte linke prozedere ist keine vertrauensbildende massnahme sondern ein dreister versuch nägel mit köpfen zu machen. und alleine dies sollte grund und anlass genug sein stumpf nein zu sagen. wir müssen keiner US lobby gefallen die wirtschaftlich unbedeutender ist als die beerdigungsbranche.
Mich beruhigt unsere Rechtslage in der BRD auch ganz und gar nicht und die Zuversicht des Autors finde ich nicht angebracht.
Zugegeben, ein ACTA-Überwachungsstaat, wie einige Kritiker ihn befürchten, ist mit unserem deutschen Grundgesetz nicht vereinbar und würde vor dem Verfassungsgericht scheitern.
Somit wirkt der Optimismus des Autors durchaus berechtigt – mag der Laie hier denken. Skeptiker und Schwarzmaler scheinen mal wieder zur grundlosen Paranoia zu neigen.
Oder auch nicht? Sollte der Autor denn nicht auch folgende Sachverhalte erwähnen:
Das Unionsrecht hat Vorrang vor dem nationalen Recht!
Was heisst das denn eigentlich? Sollten sich Gesetze und Grundrechte auf nationaler Ebene mit denen der EU widersrechen, so wird das EU-Gesetz automatisch für bindend erklärt.Und wenn der Europäische Gerichtshof irgendwann eine Überwachung ( im Rahmen eines internationalen Abkommens) aller Internetnutzer toleriert, dann gilt das auch für Deutschland.
( wäre hier nachzulesen gewesen: http://www.cep.eu/index.php?id=68&title=Anwendungsvorrang)
Und das es soweit kommt ist durchaus realistisch. Denn im Gegensatz zu unserem nationalen Grundgesetz, das sich in den Grundrechten eindeutig positioniert (zu Gunsten unserer Privatsphäre) hält sich die „Charta der Grundrechte der EU“ an keine derartigen Grundsatzwerte – und überlässt somit den EU-Parlamentariern unglaublich viel Spielraum bei der Gesetzgebung.
Zum Vergleich hier jetzt die deutsche Verfassung http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/gg/gesamt.pdf
in Gegenüberstellung zur EU-Verfassung: http://www.europarl.europa.eu/charter/pdf/text_de.pdf
Diese „Charta der Grundrechte“ hat nicht viel mit unserem bisherigem (Grund)Rechtsverständnis gemein. Unter Kapitel II (mit der verheißungsvollen Überschrift „Freiheiten“) wird dem Bürger das Recht auf Achtung des Privat- und Famileinlebens und der Kommunikation (vgl Art- 7) zugesprochen.
Allerdings klingt diese Formulierungen eher beiläufig und schwammig und damit auch nur eingeschränkt verbindlich. Aber es kommt noch schlimmer: Das „Urheberrecht“ ist für die EU-Gesetzgeber nicht weniger schützenswert wie das „Persönlichkeitsrecht“, schließlich ist die entsprechende Klausel noch im selben Kapitel (Kap II, Art. 17) verankert. Diese Formulierung ist allerdings ziemlich deutlich:“Geistiges Eigentum wird geschützt“, Punkt. Geistiges Eigentum wird also geschützt, wohingegen die Privatsphäre lediglich geachtet werden soll.
Zum Vergleich mit unserer nationalen Verfassung: Artikel 1-19 GG verankern unsere Grundrechte mit (relativ) eindeutigen Formulierungen (Art. 10 GG „Das Fernmeldegeheimnis ist unverletzlich.“) und sind rechtlich nahezu unanfechtbar. Art. 19 Abs. 2 GG besagt nochmals ausdrücklich: „In keinem Fall (!) darf ein Grundrecht in seinem Wesengehalt angetastet werden.“ Der Schutz von geistigem Eigentum wird übrigens mit keinem Wort in unserem Grundgesetz erwähnt.
So eine wundervolle Verfassung – nur leider bald nicht mehr das Papier wert, auf der sie geschrieben wurde.
„Daraus folgt, dass diese Anordnung den Provider zu einer allgemeinen Überwachung verpflichten würde, die nach Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 verboten ist.“
Dieser von Ihnen zitierte Satz klingt erstmal recht gut, muss ich zugegeben. Also gibt es wohl doch ein europäisches Gesetz, das eine allgemeine Überwachung eindeutig verbietet. ABER halt, was seh ich denn da: Dieses Gesetz gibt es ja gar nicht, es handelt sich lediglich um eine RICHTLINIE. Es ist also völlig egal, ob diese beim nächsten Grundsatzurteil beachtet wird oder nicht.
Herr Knake, was Sie hier von sich geben ist äußerst gefährliches, pseudokritisches Halbwissen!
Ihr Fazit, wonach die geltenden Grundrechte unsere Persönlichkeitsrechte absichern werden, ist völliger Bullshit!
Wenn Acta ratifiziert wird, dann verpflichten sich die EU Staaten dieses Abkommen in unsere Gesetze einzubetten. Da die europäische Gesetzgebung den Schutz des geistigen Eigentums als genauso wichtig erachtet wie den Schutz der Privatshpäre, wäre die absoltue Überwachung sämtlicher Netzaktivitäten eine überaus realistisches Szenario.
Und wenn erstmal ein derart mächtiges Instrument zur wahllosen Erstellung von Persönlichkeitsprofilen in den Händen der Staatsmacht landet, dann wird unsere Demokratie nicht mehr diesselbe sein.
Herr Knake, Ihre Zuversicht in Ehren, aber sollten Sie nicht lieber lauthals medialen Alarm schlagen, anstatt Ihre Leser grundlos in Sicherheit zu wiegen?
Sehr geehrter Herr gummilein,
danke für ihre kritische Betrachtung und ausführliche Darlegung ihrer Gründe. Mir liegt es jedoch fern, den Leser „grundlos in Sicherheit“ zu wiegen. Im Gegenteil, so stelle ich ja die vielfach kritisierte „schwammige Formulierung“ von ACTA heraus, die eben vielzuviel Spielraum für individuelle Deutungsmöglichkeiten zulässt. In dem Beitrag geht es jedoch hauptsächlich darum, aufzuzeigen, was eine Providerhaftung konkret für Kunden und Anbieter wirklich bedeuten würde und das dies mit unserem derzeit gültigen Grundgesetz eben nicht vereinbar ist. Natürlich sollte man wachsam bleiben, dass eine solche Regelung nicht doch irgendwann durch die Hintertür Einzug findet. Ob das Kind am Ende aber ACTA heisst oder mit einem anderen Namen daherkommt, ist dabei zweitrangig. Positiv stimmt mich, dass gerade in der letzten Woche das EuGH auch Betreiber von sozialen Netzwerken von einer allgemeinen Filterpflicht freigesprochen hat.
„Auch auf europäischer Ebene nährt ein jüngst gefälltes Urteil des Europäischen Gerichtshofes (Az. C-70/10) die Hoffnung, dass eine allgemeine Überwachungspflicht nicht durchsetzbar bleibt, da sie gegen anwendbare europäische Grundrechte verstößt.“
Hoffnung? Na dann schauen Sie mal hier, Herr Knake:
http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf;jsessionid=?docid=121743&doclang=DE&mode=req&cid=1153798
Soviel dazu…
Klarer Artikel mit vielen guten Argumenten. Ideal zum weiter verteilen, danke!
Und wieder hebt sich QSC positiv von anderen Providern die ich kenne ab! Dieses mal mit einem ACTA Bericht.
Es wird sehr viel über ACTA geschrieben, auffällig ist jedoch der Inhalt der Informationen. Der je nach Quelle und deren Interessen doch sehr von anderen abweicht.
Glaubt man der Regierung braucht man sich (wie immer) keine Sorgen machen. Aber allein die Art und Weise wie ACTA zustande gekommen ist sollte alle Warnglocken läuten lassen.
Beunruhigend ist auch die Tatsache das sogar ARD und ZDF sich mit der Content Industrie verbünden und öffentlich zur sofortigen Unterzeichnung drängen. (http://www.zeit.de/digital/internet/2012-02/content-allianz-pro-acta).
ARD und ZDF haben durch ihre Gebühren eine Sonderfunktion, die eine Grundlage für objektive Berichterstattung sein sollte (zumindest war das mal die Grundlage für GEZ Gebühren). Das diese in keiner Weise statt findet sieht man hier mal wieder eindeutig.
Es geht wie immer nur um Geld. Die Content Industrie ist am jammern wegen den „Verlusten“ und wie schlecht es ihr ja geht. Die Art und Weise wie dabei ihre utopischen Zahlen berechnet werden, bleibt jedoch im Dunkeln. Auch kann man dieser Tage einiges darüber lesen das ihre Wachstumszahlen im zweistelligen Bereich liegen und je nach Land sogar über 20% im letzten Jahr gestiegen sind. Davon erfährt der „normale“ Bürger aber kaum etwas. Er ließt eher was von Arbeitsplätzen die auf dem Spiel stehen und den „bösen Raubkopierren“.
Am Ende zahlt die Zeche wie immer nur der kleine Bürger. Mit seinen Rechten die immer weiter beschnitten werden und mit seinem hart verdienten Geld.
Es wird immense Kosten verursachen wenn Provider filtern müssen. Diese Kosten werden kleinen Providern das Genick brechen. Die verbleibenden werden die immensen Kosten auf ihre Kunden umlegen.
Wer sich etwas informiert erfährt schnell das selbst die Künstler nichts von ACTA haben. Sogar dort gibt es immensen Widerstand dagegen. Einzig die Verwertungs-Industrie hat einen Nutzen und deren Lobbyisten haben ACTA ja auch auf den Weg gebracht.
Die Geschichte hat bis jetzt immer gezeigt das die Dinge die möglich sind auch früher oder später umgesetzt werden, wenn jemand davon einen Vorteil hat. Meist fängt alles im kleinen an und wird erst wahrgenommen wenn alles zu spät ist. Warum ist ACTA wohl so schwammig formuliert? Weil 6 Jahre zu wenig Zeit sind um ACTA konkret und abgesichert zu formulieren? Um so erschreckender, wie vielen ACTA egal ist…
Wenn ich mit Menschen über Problematiken wie ACTA rede höre ich oft Sätze wie: „Ach, ich bin doch unwichtig“ – „Wenn man nichts verbotenes macht braucht man sich auch keine Sorgen machen“ – „Man kann doch eh nichts dagegen tun“
Ich dachte wirklich das wir aus unserer Geschichte mehr gelernt hätten. Man kann sehr viel machen. Die Augen öffnen, Informationen nicht immer als wahr nehmen, sondern sich Gedanken machen und sie hinterfragen. Mit anderen Menschen darüber reden wenn einem Ungereimtheiten auffallen. Nicht abwarten das andere etwas dagegen machen, sondern selbst auf stehen und für seine Interessen eintreten…
Und während sich die Welt um ACTA streitet wird schon wieder fern der Öffentlichkeit an IPRED gearbeitet. Das viele der Beschneidungen enthält die bei ACTA gestrichen wurden. Aber auch hier erfährt der „dumme“ Bürger in den normalen Medien kaum etwas…
Ich kann das Lob meiner Vorredner leider nicht so ganz teilen, denn hier wurden leider äusserst selektiv Argumente aus einen Gesamtzusammenhang herausgelöst. Noch schlimmer, es wurde mit inkorrekten Zitaten gearbeitet.
So liest sich der deutsche Orginaltext der ACTA-Dokumente nicht wie behauptet:
„„Jede Vertragspartei (gemeint sind hier die Unterzeichnerstaaten Anm. d. Red.) möge, in Übereinstimmung der Gesetze und Regeln, zusammen mit den zuständigen Behörden Online Service Provider dazu auffordern, zügig notwendige Informationen zur Identifizierung eines Kunden den jeweiligen Rechteinhabern auszuhändigen, dessen Account für eine Urheberrechtsverletzung genutzt wurde…““
Sondern im Original:
“
Eine Vertragspartei kann in Übereinstimmung mit ihren Rechts- und Verwaltungsvorschriften
ihre zuständigen Behörden dazu ermächtigen, einem Online-Diensteanbieter gegenüber anzuordnen,
einem Rechteinhaber unverzüglich die nötigen Informationen zur Identifizierung eines Abonnenten
offenzulegen, dessen Konto zur mutmaßlichen Rechtsverletzung genutzt wurde, falls dieser
Rechteinhaber die Verletzung eines Marken-, Urheber- oder verwandten Schutzrechts
rechtsgenügend geltend gemacht hat und die Informationen zu dem Zweck eingeholt werden, diese
Rechte zu schützen oder durchzusetzen. Diese Verfahren sind so anzuwenden, dass rechtmäßige
Tätigkeiten, einschließlich des elektronischen Handels, nicht behindern werden und dass – in
Übereinstimmung mit den Rechtsvorschriften der jeweiligen Vertragspartei – Grundsätze wie freie
Meinungsäußerung, faire Gerichtsverfahren und Schutz der Privatsphäre beachtet werden.“
Ich finde es ist ein Unterschied, ob man sagt, jemand „möge“, welches eine Empfehlung beinhaltet, oder jemand „kann“, welches eine neutrale Option beinhaltet. Und auch hier muss darauf hingewiesen werden, dass Irland und Frankreich bereits solcherlei Maßnahmen implementiert haben, ohne das dort „das Internet kaputtgegangen“ ist.
Noch schwerer wiegt allerdings, dass der Autor bewusst an den Einschränkungen vorbeischreibt, die sich die ACTA-Mitlgieddsstaaten selbst auferlegen. An diesem Absatz hier:
„Diese Verfahren sind so anzuwenden, dass rechtmäßige Tätigkeiten, einschließlich des elektronischen Handels, nicht behindert werden und dass – in Übereinstimmung mit den Rechtsvorschriften der jeweiligen
Vertragspartei – Grundsätze wie freie Meinungsäußerung, faire Gerichtsverfahren und Schutz der
Privatsphäre beachtet werden1.“
…kann man eigentlich nur absichtlch vorbeilesen. Hier wird die o.g. „Kann-Bestimmung“ durch eine „Muss-Bestimmung“ wrksam eingeschränkt.
Ich finde es schon bedauerlich, dass der QSC Newsletter nun auch noch für die politische Kommuniaktion des Providers Platz bietet, und dass auch noch unter Massgabe von journalistischen Mitteln die nur noch als manipulativ gelten können.
Insofern, Herr Knake, bedienen Sie nur die ACTA-Hysterie. In weniger als vier Jahren wrd uns der Raum „Internet“ gesellschaftlich um die Ohren fliegen dass der Wutbürger, der ACTA-Demonstrant aktuell nur ein laues Lüftchen dagegen sind. Dass sich Provider auch gegen sinnvolle Regulierungen wehren, könnte sich dann – mark my words – als verhängnisvoller Fehler für Sie erweisen.
Es gibt hier Leute, die diesen Newsletter lesen und das Gesagte einordnen können. Und um dem ganzen Spuk hier mal eine neutrale Quelle entgegenzusetzen:
http://ec.europa.eu/trade/creating-opportunities/trade-topics/intellectual-property/anti-counterfeiting/
Abschließend: Sie wissen ja sicherlich dass sie auf Ihren eigenen Seiten auch als Content-Provider für Ihre Einlassungen haften. Insofern wünsche ich Ihnen in Zukunft etwas mehr Geschick und joirnalistische Integrität.
Mit freundlichem Gruß,
Stefan Herwig
Im englischen Original heißt es „…may provide…“ Das lässt sich meiner Auffassung nach sowohl in „kann“ als auch „möge“ übersetzen. Umso mehr zeigt es doch, dass ACTA, je nachdem wer es wie übersetzt, viel zu viel Spielraum für die Deutungsmöglichkeiten zulässt. Richtig ist, dass die Rechtsvorschriften der jeweiligen Vertragsparteien einzuhalten seien. Aber wo steht geschrieben, dass diese nicht abgeändert werden dürfen, um ACTA effektiver durchsetzen zu können? Die Leserkommentare hier zeigen doch sehr gut, wie groß die Unsicherheit über ACTA ist und wie hitzig die Debatte derzeit geführt wird. Während der eine Kommentator aus diesem Artikel „grundloses in Sicherheit wiegen“ herauslesen will, ist es für Sie ein Beitrag zur „ACTA-Hysterie“. Ich denke, die Mitte triffts genauer.
Viele Grüße!
Dennis Knake
Sehr geehrter Herr Herwig,
worüber empören Sie sich hier eigentlich? Ob man jetzt das englsiche Wort „may“ in besagter Passage mit „kann“ oder mit „möge“ übersetzt ist doch völlig irrelevant – angesichts der Tragweite dieses Abkommens.
Und wie stehen Sie als Acta-Verfechter denn zur Wahrung unserer Grundrechte, die Sie ja hier (verlogenerweise) ausdrücklich zitieren? Die Antwort hierauf haben Sie schon erbracht: Grundrechte wie der Schutz der Privatsphäre und die Meinungsfreiheit haben in Ihrem Demokratieverständnis scheinbar nichts verloren. Denn wer glaubt, dass das Internet einem bald „um die Ohren fliegt“, falls Provider nicht auf „sinnvolle“ Regulierungsmaßnahmen eingehen werden, dem kann am Schutz der Privatsphäre nicht allzu viel liegen. Denn: Was kann ein Provider denn diesbezüglich anderes unternehmen, als seine Kunden bis auf das letzte Bit auszuspähen?
Und wie Sie zur Meinungsfreiheit stehen kann man an dieser (von Ihnen iniziierten) Petition hier ablesen: http://flaschenpost.piratenpartei.de/files/2012/02/Indie-Stellungnahme-zur-ACTA.pdf
Das Aufklärungsvideo „Was ist Acta“ auf Youtube soll also gelöscht werden, Herr Herwig? Wie undemokratisch von Ihnen….
Ach ja, Ihre sogenannte „neutrale Quelle“, die Homepage der europäischen Kommission, kann doch so neutral nicht sein. Schließlich ist diese Kommission maßgeblich an der Ausarbeitung Actas verantwortlich gewesen. Wie kritisch kann ein Urheber eines solchen Abkommens sein eigenenes Werk schon betrachten?