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„Mittelstand auf Kollisionskurs“

Portraitaufnahme von Carsten Hentrich und Michael Pachmajer von der Beratungs- und Prüfungsgesellschaft PwC.

Dr. Carsten Hentrich (li.) und Michael Pachmajer von der Beratungs- und Prüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC). Foto: © PwC.

Dr. Carsten Hentrich und Michael Pachmajer von der Beratungs- und Prüfungsgesellschaft PwC blicken im Mittelstand seit Jahren hinter die Kulissen. Im Interview erklären sie, was Geschäftsführer und Eigentümer von Teilchenphysikern lernen können und warum nicht jeder Mittelständler wie ‚Uber‘ werden muss.

DWW: Viele Mittelständler, die erstklassige Produkte produzieren, sind oft auch davon überzeugt, für die Digitalisierung schon gut aufgestellt zu sein. Sind diese Unternehmen auf dem richtigen Weg?

Carsten Hentrich: Diese Haltung ist in der Tat weit verbreitet. Vielen Unternehmern fehlt in Sachen Digitalisierung aber schlichtweg die Orientierung, um den eigenen Standpunkt zuverlässig bestimmen zu können.

Michael Pachmajer: Für die überwiegende Mehrheit ist die Digitalisierung zumindest präsent. Viele dieser Mittelständler aber suchen, wie schon erwähnt, Orientierung – also eine Art Fahrplan, mit dem sich ihr Geschäft digitalisieren lässt. An diesem Punkt setzen wir als Berater an. Wir erklären, was Digitalisierung und Disruption für das Geschäftsmodell und die Erzeugnisse ihres Unternehmens bedeuten können.

 

DWW: Was heißt das konkret?

Michael Pachmajer: Stellen Sie sich ein Unternehmen vor, das erstklassige Baumaschinen produziert. Beim Blick auf den Markt sehen Sie, dass Baumaschinen zukünftig über Shared-Economy-Plattformen ihren Weg zum Kunden finden. Das heißt, die Maschinen werden bei Bedarf gemietet und nicht mehr gekauft. Damit tritt die Qualität des Produktes immer mehr in den Hintergrund, da sie in der Fülle des Angebots dieser Plattformen nicht das entscheidende Argument ist.

 

DWW: Sondern?

Carsten Hentrich: Hier zählt der Preis. Das Produkt kann noch so gut sein, es wird zur reinen Commodity, also einem Gebrauchsgegenstand. Für den Baumaschinenhersteller bedeutet das: Die Kundenbeziehungen verändern sich. Und die Umsatzerlöse durch den Verkauf von Produkten gehen zurück. Das produzierte Gerät ist kein Investitionsgut mehr, sondern ein Service, der sich bei Bedarf mieten lässt. Eine mögliche Lösung für dieses Dilemma wäre es, die eigenen Produkte über eine eigene Plattform zu vermieten. Dann behält der Baumaschinenhersteller Kunden und zumindest einen Teil des Umsatzes.

 

DWW: Wie reagieren die Unternehmer, denen Sie diese Zukunft ausmalen?

Michael Pachmajer: Wir wollen keine Ängste schüren. Stattdessen zielen wir auf die Erkenntnis und das Bewusstsein dafür ab, welche Umwälzungen die Märkte rund um den Globus aufmischen.

Carsten Hentrich: Diese Erkenntnis nutzen wir dann, um im Gespräch mit den Entscheidern Ziele für das Geschäft zu definieren und eine Strategie zu entwickeln. Dabei muss ein Mittelständler aber nicht gleich zum ‚Uber‘ seiner Branche werden. Sondern sich erstmal grundlegend und möglichst konkret klar machen, wie schnell der Markt überhaupt ist, auf dem er sich bewegt und an welchen digitalen Fähigkeiten es in seinem Betrieb eigentlich mangelt.

Michael Pachmajer: Wie soll eine Firma am besten vorgehen? Wie lassen sich die notwendigen Schritte orchestrieren? Wo möchte man wann stehen? Und wie lassen sich die Mitarbeiter auf diesem Weg mitnehmen? Darum geht es.

 

DWW: Und sicherlich auch um die Frage, wer denn eigentlich im Unternehmen zuständig ist für die Digitalisierung?

Michael Pachmajer: Unbedingt. Mittelständlern muss jedenfalls klar sein: Digitalisierung ist nicht gleichzusetzen mit der Einführung neuer Technologien. Somit ist die IT-Abteilung nur ein Teil von vielen in diesem Puzzle. Es geht um Veränderungen, die das gesamte Unternehmen umfassen. Also um Organisationsstrukturen, Menschen und deren notwendige Kompetenzen sowie Prozesse Prozessveränderungen und eben auch neue Technologien. Das sind Umwälzungen, für die jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter mit verantwortlich ist. Und trotzdem dürfen wir nicht vergessen, dass die digitale Transformation Chefsache ist.

 

DWW: Auf diese Handlungsfelder gehen Sie auch in Ihrem Buch „d.quarks – Der Weg zum digitalen Unternehmen“ ein. Was empfehlen Sie?

Carsten Hentrich: Losgelöst von Branche und Größe haben wir ein Modell entwickelt, das wie ein Baukasten funktioniert. Unsere Methode hat sich in der Praxis bewährt und geht zurück auf ein eigenes Aha-Erlebnis, das wir bei einem Besuch des Teilchenbeschleunigers in Genf hatten.

 

DWW: Was haben Sie denn dort erlebt?

Michael Pachmajer: Die Wissenschaftler in der Schweiz beschleunigen Elementarteilchen und bringen diese auf Kollisionskurs. So setzen sie die kleinsten physikalischen Bestandteile der Materie frei, die Quarks.

Carsten Hentrich: Wir haben festgestellt, dass auch der digitale Wandel in der Wirtschaft im Grunde auf elementare Teilchen zurückgeht, aus denen sich die Unternehmen zusammensetzen. In unserem Modell stehen die digitalen Quarks für die Fähigkeiten, die Unternehmen benötigen, um digitale Wertschöpfung aktiv zu gestalten, zu erzeugen und an ihre Kunden zu vermitteln.

Michael Pachmajer: So, wie die Teilchenphysiker Atome kollidieren lassen, um Rückschlüsse auf den Aufbau der Materie zu ziehen, machen wir das mit dem Mittelstand: durch die „Kollision“ von unterschiedlichem Wissen und Erfahrungen, Kompetenzen und Disziplinen entstehen neue Ideen.

 

DWW: Und wie bringen Sie den Mittelstand genau auf Kollisionskurs?

Michael Pachmajer: Die digitalen Quarks sind Indikatoren dafür, wie digitalisiert ein Unternehmen bereits ist. Wie agil ist die IT im Unternehmen? Wie digitalisiert sind die Arbeitsplätze der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder wie weit setzt eine Firma bereits Big Data ein?

Carsten Hentrich: Die digitalen Quarks lassen sich den Handlungsfeldern zuordnen. Im Hinblick auf die Strategie, die das Unternehmen verfolgen möchte, zeigt ein Soll-Ist-Vergleich, auf welchem Weg sie ans Ziel kommen.

 

DWW: Wie kann so ein Ziel aussehen?

Michael Pachmajer: Angenommen, ein Unternehmen, das Industriekabel in alle Welt vertreibt, erkennt, dass Kunden in Asien Kabel über Handelsplattformen wie Alibaba kaufen. Ein Ziel wäre dann, eine Multi-Channel-Strategie für den digitalisierten Vertrieb in Fernost zu entwickeln, um Kundenbeziehungen zu behalten, anstatt sie an eine Plattform zu verlieren.

Carsten Hentrich: Woraus sich direkt ein weiteres Ziel ergibt: Jede Online-Transaktion eines Kunden erzeugt Daten, die es zu nutzen und auszuwerten gilt. Etwa um Trends abzuleiten und schneller auf Anforderungen reagieren zu können oder das Kundenerlebnis immer weiter zu verbessern.

Michael Pachmajer: Sind solche Ziele erreicht, gilt es, darüber zu sprechen, wie die Umsetzung erfolgt. Mit ‚Leuchtturmprojekten‘ bauen die Unternehmen nicht nur die begehrten Fähigkeiten auf. Der Erfolg strahlt auf die Mitarbeiter und den Wettbewerb ab. Die Belegschaft sieht konkret, was es der eigenen Firma bringt und die Konkurrenz horcht auf.

 

DWW: Wie Sie zurecht sagen, muss sich nicht jeder Mittelständler mit Uber vergleichen lassen. Gibt es im Umkehrschluss aber Fähigkeiten, die sich Digital-Unternehmen wie Google, Amazon und Uber vom Mittelstand abschauen können?

Carsten Hentrich: Sicher. Zum Beispiel die Fokussierung auf das, was man so gut kann wie kein anderer: das Kerngeschäft. Im deutschen Mittelstand wimmelt es von Hidden Champions. Also Spezialisten für Produkte, die man so auf der Welt kein zweites Mal findet. Darüber hinaus haben Familienunternehmen bereits mehrfach bewiesen, wie agil sie Veränderungen gestalten. Wer sich über 100 Jahre auf dem Markt behauptet hat, der hat zahlreiche Transformationsprozesse erfolgreich gemeistert. Ein Erfahrungsvorsprung, den der Mittelstand jedem digitalen Start-Up voraushat.

Michael Pachmajer: Im Vergleich mit Großkonzernen sind mittelständische Unternehmer nachhaltiger. Konzerne entscheiden von Quartal zu Quartal. Der Geschäftsführer eines Familienunternehmens agiert mit Weitblick. Diese Stärken muss man nutzen und darauf aufbauen. Oft ist der Unternehmenslenker im Mittelstand auch der zentrale Ansprechpartner für alle Themen. Statt Gremien und Arbeitskreise einzuberufen, trifft er schnell Entscheidungen. Ein weiterer Vorteil, um auch digital erfolgreich zu bleiben.

 

Das Buch „d.quarks – Der Weg zum digitalen Unternehmen“ ist im September 2016 im Murmann Verlag erschienen. Die Autoren Dr. Carsten Hentrich und Michael Pachmajer sind Direktoren im Consulting bei PricewaterhouseCoopers. Dort verantworten sie im Kundensegment Familienunternehmen und Mittelstand den Beratungsschwerpunkt Digitale Transformation.

Weitere Informationen online unter www.dquarks.com.

Dieser Artikel erschien ursprünglich auf Digitales-Wirtschaftswunder.de, dem Themenblog der QSC AG

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