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Publiziert am 22. November 2017 von unter: ,

Wissensarbeiterstudie 2017 (3): Grenzbereiche der Eigenverantwortung

Silhouette of the man in the office and corporate infographic

Bild: @istock.com/ConceptCafe

Ob bei der Kompetenzentwicklung oder im täglichen Doing: Mehr Eigenverantwortung für die Mitarbeiter scheint „en vogue“. Aber wo liegen die Grenzen zwischen „mehr Eigenverantwortung zulassen“ und „sich als Unternehmen aus der Verantwortung winden“?

In dieser Beitragsreihe kommentiert PAC exklusiv für Digitales Wirtschaftswunder ausgewählte Ergebnisse der  Studie „Wissensarbeit im Wandel“ https://www.hays.de/personaldienstleistung-aktuell/studie/wissensarbeit-im-wandel-2017  – ein gemeinsames Projekt der Hays AG, der Gesellschaft für Wissensmanagement und PAC,  in dessen Rahmen mehr als 1.200 hochqualifizierte Fach- und Führungskräfte aus Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt wurden.

Die Studie zeigt, wie der digitale Wandel den Arbeitsalltag und den Kompetenzerwerb hochqualifizierter Mitarbeiter hierzulande verändert, welche Spannungsfelder sich damit auftun und wo Verbesserungsmaßnahmen ansetzen sollten. Heute im Fokus: Spannungsfeld „Eigenverantwortung“.

 

Die Forderung nach „mehr Eigenverantwortung“ ist omnipräsent

Bei kaum einem anderen Thema scheinen sich die Protagonisten des digitalen Wandels so einig zu sein wie bei der Forderung nach: mehr Eigenverantwortung! Die Mitarbeiter verlangen danach, um in dem immer agileren Umfeld ihren Job vernünftig erledigen zu können. Die Führungskräfte fordern eigenverantwortliche Mitarbeiter, um neue Themen schneller umzusetzen. Die Corporate Learning-, Social Collaboration- und NewWork-Evangelisten propagieren mehr Eigenverantwortung der Mitarbeiter als Grundlage für modernes Wirtschaften damit verbundener Konzepte.

Und natürlich ist diese Forderung berechtigt. Denn je höher der Anteil komplexer Aufgabenstellungen in den Unternehmen, desto mehr sind diese auf die Kreativität und Performance der einzelnen Mitarbeiter angewiesen. Die Wissensarbeiter wiederum wissen selbst am Besten, welche Kompetenzen notwendig und welche Schritte im operativen Geschäft als Nächstes erforderlich sind. Deshalb fahren die Unternehmen am Besten, wenn Sie den Mitarbeitern – ob beim Kompetenzerwerb oder beim täglichen Doing – ein möglichst hohes Maß an Eigenverantwortung zugestehen.

Diese Botschaft ist offensichtlich in der Breite angekommen: Die überwiegende Mehrheit der für die Wissensarbeiterstudie 2017 befragten hochqualifizierten Fachkräfte (62 Prozent) sowie auch der Führungskräfte (65 Prozent) meinen, dass es in der Verantwortung der Mitarbeiter (und nicht des Unternehmens) liegen sollte, fortlaufend in die Erweiterung der Kompetenzen zu investieren.

 

Zu viel Eigenverantwortung kann auch überfordern

Fraglich bleibt, wie weit die Eigenverantwortung der Mitarbeiter beim Thema Kompetenzentwicklung tatsächlich reichen soll. Wo sind die Grenzen? Klar, die Suche nach geeigneten Weiterbildungs- und Vernetzungsangeboten sollte Aufgabe der Mitarbeiter sein. Hier stimme ich mit der Mehrheit der befragten Fach- und Führungskräfte überein. Aber bedeutet dass Mehr an Eigenverantwortung auch, dass Lernen und Vernetzen verstärkt in der Freizeit erfolgen– also quasi Privatangelegenheit der Mitarbeiter werden sollten? Immerhin 42% der Führungskräfte und selbst 29% der Mitarbeiter plädieren dafür.

Aus meiner Sicht ist dies ein bemerkenswerter Befund. Man sollte es sich noch einmal auf der Zunge zergehen lassen: Fast jeder dritte hochqualifizierte Mitarbeiter hierzulande hält es für angebracht, den Austausch zu neuen Themen oder weiterführende Recherchen in die Freizeit zu verlegen sowie Workshops oder Schulungen an den Wochenenden durchzuführen! Auf der einen Seite begrüße ich diese Haltung. Als angestammter Homeoffice-Arbeiter, der seinen Job liebt, bin ich der Work-Life-Balance-Diskussionen ohnehin überdrüssig. Besser wäre es, über Work-Life-Blending zu diskutieren.

Auf der anderen Seite halte ich es für hoch-riskant und kontraproduktiv, wenn die für die Wissensarbeit notwendige Generierung und Vernetzung von Wissen nicht (mehr) als „Arbeit“ betrachtet wird. Nur zum Verständnis: Laut einer PAC-Untersuchung verbringen die Mitarbeiter in den Unternehmen hierzulande im Durchschnitt etwa ein Drittel ihrer Arbeitszeit mit Austausch und Zusammenarbeit.  Wenn diese Tätigkeiten immer mehr in die Freizeit verlagert werden, dann ist eine Überforderung bis hin zum Burnout vorprogrammiert.

 

„Dienst nach Vorschrift“ ist schon lange nicht mehr

Tatsächlich zeigen die Studienresultate, in welchem Ausmaß die Mitarbeiter heute bereits als Unternehmer in eigener Sache agieren, um den steigenden Jobanforderungen gerecht zu werden: 60 Prozent der hochqualizierten Fachkräfte bilden sich bereits in der Freizeit weiter, jede zweite Fachkräft investiert auf eigene Kosten in die Weiterbildung. Ja, die Mehrheit der Wissensarbeiter übertritt sogar regelmäßig oder von Zeit zu Zeit Regeln, nimmt also beträchtliche Risiken in Kauf, wenn die Situation bzw. der Job dies erfordert.

Als Unternehmen mag man sich über dieses Ausmaß an Verantwortungsübernahme seitens der Mitarbeiter zunächst freuen. Die Botschaft scheint angekommen: „Dienst nach Vorschrift“ war gestern.

 

Überbordende Eigeninitiativen deuten auch auf Fehlentwicklung hin

Die Ergebnisse lassen sich aber umgekehrt auch als Warnsignal interpretieren. Denn wenn heute ein Großteil der Mitarbeiter Regeln übertritt und sich in informellen Netzwerken organisiert, nur um ihren Job vernünftig zu tun, dann zeigt dies, dass an den Regeln und formellen Austauschformen etwas nicht stimmt.

In gewissen Maße kann eine Regelübertretung nützlich, ja sogar gewollt sein. Die Welt ist nun mal nicht perfekt plan- und vorhersehbar. Soziologen wie Stefan Kühl sprechen deshalb auch von „brauchbarer Illegalität“ – die aber gemanaged werden müsse. Denn ab einem bestimmten Punkt ist sie hochgradig gefährlich – etwa wenn Mitarbeiter meinen, Gesetze brechen zu müssen oder wenn sie mangels Alternativen private IT-Werkzeuge einsetzen und damit große Sicherheitslücken schaffen.

Klar ist: Wer als Unternehmen „mehr Eigenverantwortung“ nur als „Loslassen“ oder „Wegsehen“ interpretiert, der handelt grob fahrlässig.

 

Kompetenzentwicklung sollte nicht zur Privatangelegenheit erklärt werden

Dies gilt auch für die Kompetenzentwicklung. So lassen die Studienergebnisse erkennen, dass die meisten Mitarbeiter die Notwendigkeit des lebenslangen Lernens längst erkannt haben. Um ihre Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten, sehen sie sich gefordert, in die Entwicklung der Kompetenzen zu investieren – ob mit oder ohne Förderung von Seiten der Arbeitgeber. Unternehmen, die vor diesem Hintergrund aber meinen, die Kompetenzentwicklung vollends als Privatangelegenheit der Mitarbeiter erklären zu können, sollten sich später nicht über einen akuten Fachkräftemangel beschweren.

So ist laut Studie bereits heute etwa jeder zweite hochqualifizierte Mitarbeiter bereit, das Unternehmen zu wechseln, um sich fachlich/thematisch weiterzuentwickeln. Zu dieser Gruppe gehören auch und insbesondere die Hoch-Engagierten, die keine Kosten, Mühen und Risiken scheuen, um ihren Job vernünftig zu tun.

„Mehr Eigenverantwortung“ hin oder her: Wer als Unternehmen diese Mitarbeiter bei der Kompetenzentwicklung alleine lässt, schadet sich selbst.

 

Dieser Artikel erschien ursprünglich auf Digitales-Wirtschaftswunder.de, dem Themenblog der QSC AG

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