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Publiziert am 6. März 2018 von unter: ,

Zwischenruf im Echoraum: Der Personaler als Buhmann?!

Die emotionale Diskussion um die zukünftige Rolle von HR ist in Teilen eine Stellvertreterdebatte – die gesamte Organisation muss auf den Prüfstand. Die Personaler sollten sich der Diskussion dennoch nicht entziehen, sondern aktiv um neue Leitbilder ringen.

Cropped image of businessman's hands covering paper team on wooden table. Bild: © istock.com / AndreyPopov

Bild: © istock.com / AndreyPopov

An dieser Stelle empfehlen und kommentieren Analysten von PAC regelmäßig Web-Beiträge exklusiv für die Leser von Digitales-Wirtschaftswunder.de. Heute im Fokus: „Der Untergang der Personalerzunft ist eine Mär“ von Dr. Elke Eller, Präsidentin Bundesverband der Personalmanager.

 

Verbandspräsidentin wehrt sich gegen Negativdiskussion

Unter der Rubrik „Klartext“ bei Xing veröffentlichte Frau Dr. Elke Eller einen Artikel, in dem sie sich als Präsidentin des Bundesverbandes der Personalmanager vehement gegen die überkritische Debatte zur Rolle von HR in den Unternehmen ausspricht. Schließlich würden sich „Heerscharen von Beratern“ seit geraumer Zeit damit beschäftigen, „ein Bild unserer künftigen Rolle im Unternehmen zu zeichnen“.

Und dies offensichtlich mit einem aus Ihrer Sicht zu kritischen Unterton: Denn das Gros der Marktforscher und Experten liefert schier unermüdlich grobe Hochrechnungen vom Untergang der Personalerzunft: “Wer braucht noch die Personalabteilung?”, “Personaler hinken hinterher” oder “Personaler sind lebende Leichen”, wird da getitelt, was das Zeug hält. Das ist erschreckend. Zumal diese Wahrnehmung in der Konsequenz dazu führen wird, dass der so dringend benötigte Nachwuchs sich erst gar nicht für das Peoplemanagement als berufliche Option entscheidet.“

 

Die Debatte wühlt auf und lädt ein – zur Rebellion

Wow! Erstmal durchatmen. Ich nahm Frau Dr. Ellers Replik zum Anlass, mich verstärkt mit dieser oft so emotional geführten Debatte zu befassen. Schließlich spielen HR-Verantwortliche im Workplace-Umfeld – meinem thematischen Schwerpunkt als Analyst – eine zunehmend wichtige Rolle. Noch im letzten Jahr erstellte ich eine Analyse mit dem Titel „HR in die Offensive“ – nicht zuletzt, um HR-Manager zu ermuntern, sich im Verbund mit IT und Facility Management aktiv bei der Modernisierung von Arbeitsumgebungen einzubringen. Und nun: „Untergang der Personalerzunft“?!

Doch zurück zur aktuellen Recherche: Tatsächlich ist die steigende Zahl an Beiträgen zu den aktuellen Versäumnissen und der künftigen Rolle von HR bei Xing oder LinkedIn kaum zu übersehen – wobei zugleich die immensen Zugriffszahlen im fünfstelligen Bereich ins Auge fallen. Halten wir also fest: Die Debatte trifft offensichtlich einen Nerv.

Doch ist sie tatsächlich so „erschreckend“ negativ aufgeladen und mit „Untergangsszenarien“ behaftet? Eher nicht. Ich habe im Zitat oben bewusst auf die Artikel verlinkt, auf die sich Frau Dr. Eller offensichtlich bezieht. Ja, die Überschriften sind polemisch zugespitzt, die Inhalte aber eher sachlich kritisch bis konstruktiv.  Dass sich in diesem Rahmen auch einige Berater oder Neupolitiker zu profilieren versuchen,… geschenkt.

Die Sorge der Verbandspräsidentin im Hinblick auf Nachwuchsprobleme aufgrund der Debatte teile ich noch weniger. Schließlich lässt sich die aufgeregte Diskussion auch anders interpretieren. Sie zeigt, welch (über-)große Erwartungen heute an HR gerichtet sind. Frau Eller betont im Artikel ja selbst die „stramme Agenda“ der Personaler angesichts der vielen neuen Themen. Mit klassischen Strukturen und dem tradierten Selbstverständnis klassischer Personalverwaltungen lassen sich die hohen Erwartungen freilich nicht erfüllen. Aus dieser Perspektive sehe ich die Artikel eher als Einladung an junge Rebellen mit Gestaltungsanspruch: Hier liegt Wandel in der Luft!

 

Untergangsstimmung? Veränderung!

Und worauf beziehen sich nun genau die von Frau Eller angeführten Szenarien zum „Untergang der Personalwirtschaft“? HR-Admin, also die operative Verwaltung – so schreiben viele Autoren, wird zunehmend zum Objekt von Outsourcing oder Automatisierung. Gut so, dann bleibt mehr Raum für strategische Themen. Die Fachbereiche – so wird weiter angeführt – wollen beim Personal-Sourcing ebenso wie bei Fragen des Kulturwandels und der Kompetenzentwicklung selbst stärker aktiv werden. Für mich angesichts steigender Agilitätsanforderungen gut nachvollziehbar, ja sogar löblich. Dann sollte HR diese eben dabei unterstützen, den Verantwortlichen als Coach und Berater zur Seite stehen und – wenn notwendig – Leitplanken bauen.

Ich bleibe dabei: Einen Abgesang auf die Personalwirtschaft erkenne ich aus der Lektüre nicht. Sicherlich wird in einigen Artikeln die Sinnfrage aufgeworfen – quasi als Weckruf. Warum nicht?! Wir alle sollten uns regelmäßig die Frage nach dem „Warum“ bzw. „Wozu“ stellen. Indem sich aber Frau Dr. Eller diese Debatte verbittet, trägt sie eher zu ihrer Dramatisierung bei.

Denn natürlich muss sich die HR-Abteilung im digitalen Wandel neu ausrichten – so wie das auf das gesamte Unternehmen, einschließlich IT, Marketing oder Kundenservice, zutrifft. Und natürlich benötigen HR-Verantwortliche – ebenso wie das gesamte Unternehmen – heute eine andere Haltung gegenüber den Mitarbeitern. Wir leben schließlich nicht mehr im Industriezeitalter. „Hört auf, den Menschen als Produktionsfaktor zu betrachten“, fordert Nico Rose, ebenfalls Personalmanager, in einem Beitrag für Zeit Online. Recht hat er! Nur wurde diese Haltung – wie ihn die Verhaltensökonomie postuliert – den meisten Absolventen der Wirtschaftsstudiengänge (darunter viele Personalmanager) bislang nicht vermittelt.

 

Die Debatte bietet eine Plattform für Manager neuen Typs

Kurzum: Die Debatte muss geführt werden, auch wenn der ein oder andere Schlag mal unter der Gürtellinie landet. Vielleicht sollten pikierte HR-Manager bei den Kollegen in der IT um Rat fragen. Diese sehen sich bereits seit Jahren mit einer ähnlichen Diskussion konfrontiert – und müssen bis heute vielfach als Buhmann für enttäuschte Erwartungen herhalten. Und sie können bestimmt beruhigen: Denn auch 15 Jahre nach Nicholas Carrs vieldiskutiertem Aufsatz „IT doesn’t matter“ gibt es die IT-Abteilungen noch. Nur sind diese heute vielfach schon ganz anders aufgestellt und die Transformation ist immer noch im Gange.

Die Debatte bietet zudem eine gute Gelegenheit, neue Ideen und Ansätze in der HR-Arbeit einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen und zu diskutieren. Denn HR-Manager neuen Typs, die als Vorbilder für die nächste Generation taugen, gibt es bereits. Ich denke hier unter anderem an Harald Schirmer, über dessen Aktivitäten bei Continental ich bereits in einem anderen Beitrag für Digitales Wirtschaftswunder ausführlich berichtete.

Im Rahmen dieser Recherche wurde ich zudem auf Prof. Dr. Gunther Olesch, HR-Chef bei Phoenix Contact – einem Unternehmen, das als „bester Arbeitgeber Deutschlands“ geehrt wurde – aufmerksam. Bei Diskussionen um die neue Rolle von HR ist der Autor zahlreicher Fachbücher regelmäßig mit konstruktiven Beiträgen präsent – wie hier im Interview oder im Rahmen dieser Podiumsdiskussion.

 

Handlungsanleitung zum „Öffnen von Türen“ – auch für Nicht-HRler

Im Kern sieht Prof. Olesch die neue Rolle von HR als Steering Partner des Top-Managements. Dabei belässt er es nicht wie Frau Dr. Eller bei der Forderung nach „offenen Türen für HR“, sondern zeigt auf, wie sich HR die Türen selbst öffnen kann. Dies gelingt u.a., indem die Personaler nicht nur exzellente HR-Arbeit leisten, sondern sich darüber hinaus für strategische Themen jenseits des HR-Bereichs interessieren und sich in entsprechende Initiativen aktiv einbringen. Dieser Ansatz, den er in einem lesenswerten Gastbeitrag für Management Circle ausführlich darstellte, findet sich in keiner HR-Rollenbeschreibung, sondern ist eine Frage der Haltung.

Und nicht nur für HRler! Mit dem digitalen Wandel stehen alle traditionellen Abteilungen im Unternehmen vor einer Neuausrichtung – und die Verantwortlichen vor der Frage, ob sie zu den Gestaltern oder Getriebenen gehören wollen. Wer wiederum gestalten will, muss aktiv Silos einreißen und seine Rolle im Unternehmen selbst definieren. Sollte Ihnen also als IT-, Marketing- oder Contact-Center-Verantwortlicher diese Diskussion bekannt vorkommen, so ist dies kein Zufall. Versuchen Sie es einmal: Ersetzen Sie einfach das HR-Fachvokabular im Beitrag von Prof. Olesch durch geläufige Fachbegriffe aus Ihrem Bereich – schon erhalten Sie eine pragmatische Handlungsanleitung.

 

Credo

Vor diesem Hintergrund ist die Debatte um die neue Rolle von HR auch eine Stellvertreter-Diskussion. Nicht nur die HR-Abteilung, die gesamte Unternehmensorganisation muss auf den Prüfstand. Es wäre ungerecht und irreführend, HR als alleinigen Buhmann für enttäuschte Erwartungen im Zuge des digitalen Wandels zu deklarieren. Aber genauso verfehlt wäre es, sich dieser Debatte zu verweigern. Denn mit „Augen zu“ und „Weiter so!“ wird HR selbst bei „geöffneten Türen“ die Erwartungen nicht erfüllen.

Es ist nachvollziehbar, dass die Präsidentin des Verbandes für Personalmanager die HRler ein Stück weit in Schutz nimmt. Noch wichtiger, auch im Sinne der Nachwuchsarbeit, wäre es aber, wenn sie beim nächsten „Klartext“ neue Leitbilder für die HR-Arbeit zur Diskussion stellen würde. Bis dahin sollten sich der HR-Nachwuchs und Personaler mit Gestaltungsanspruch an HR-Managern neuen Typs wie Prof. Olesch orientieren.

 

Dieser Artikel erschien ursprünglich auf Digitales-Wirtschaftswunder.de, dem Themenblog der QSC AG

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