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Publiziert am 17. Juli 2018 von unter: ,

Honigpumpe am Arbeitsplatz: Digitaler Wandel ist Kunst!

Die Bedeutung der Kunst für die neue Arbeit reicht über die künstlerische Gestaltung von Arbeitsumgebungen hinaus. Um den Wandel erfolgreich zu stemmen, sollten wir uns selbst als Künstler begreifen und unsere eigene Denk- und Vorgehensweise auf den Prüfstand stellen.

Kunst und New Work: Vom Prestige Objekt zur Inspirationsquelle?!

Kunst und Wirtschaft. Noch vor einigen Jahren ließen sich diese beiden Welten gut voneinander trennen – hier die Erbsenzähler und Prozessingenieure, dort die Kreativen und freien Geister. Wirtschaft war Alltag, der Kunstgenuss eher für die Freizeit reserviert. Zwar präsentieren sich bis heute viele Unternehmen als Kunstförderer. An der Abgrenzung änderte dies freilich wenig. Ganz im Gegenteil: Die Gemälde oder Skulpturen in den Eingangshallen der Konzerne verdeutlichten eher noch die Kontraste.

Doch mit zunehmender Komplexität verschwimmen die Grenzen. Angesichts einer Wirtschaft, die verzweifelt nach „kreativen Köpfen“ und neuen Wegen zur Steigerung der Innovationsfähigkeit sucht, erfährt die Kunst eine Aufwertung. Im Zuge von New Work wird sie nicht mehr nur als Prestigeobjekt, sondern auch als Mittel der Inspiration betrachtet.

Shelly Sacks auf der 1. Transsektoralen (Un)Konferenz von Priomy. Foto: © André Classen

In einem Beitrag mit dem Titel „Kunst und New Work?“ diskutierten beispielsweise Marc Wagner (Dedecon) und Andreas Geyer (Orange Council) die Möglichkeiten der Neugestaltung des Arbeitsumfelds mit künstlerischen Elementen.  Ihr Fazit: Kunst bietet aus unserer Sicht einen sehr erfolgreichen Hebel für mehr Inspiration und Kreativität im Arbeitsumfeld und so eine Förderung der „Fähigkeiten der Zukunft“.

Naja. Dass eine künstlerische Gestaltung des Arbeitsumfeldes die Inspiration fördert, kann man so sehen oder eben auch nicht. Skeptiker würden entgegnen, dass Steve Jobs und Steve Wozniak in ihrer Garage bestimmt keine zeitgenössischen Werke aufbewahrten. Der Inspiration der beiden Apple-Gründer gab dies keinen Abbruch. Aus dieser Perspektive erscheint der Rückgriff auf die Kunst bei der Gestaltung von Arbeitsumgebungen eher als Fassadenputz. Um attraktiv für die Fachkräfte zu erscheinen, geben sich die Unternehmen einen sexy Anstrich.

 

Joseph Beuys und Shelley Sacks: Jeder Mensch ist ein Künstler!

Die Wechselwirkung von Kunst und Wirtschaft im Zuge von New Work lässt sich aber auch noch aus einer anderen, noch etwas tiefer greifenden Ebene betrachten. Die Inspiration hierzu lieferte mir ein Vortrag, der Künstlerin Shelley Sacks bei der 1. Transsektoralen (Un)Konferenz von Priomy im Juni diesen Jahres in Berlin.

Shelley Sacks – hier ein lesenswertes Porträt der Künstlerin – sieht sich ganz in die Tradition von Joseph Beuys, mit dem sie über Jahre zusammenarbeitete und der den Kunstbegriff in den 1970ern deutlich ausweitete. Er prägte in diesem Zusammenhang den Begriff „Soziale Plastik“ (Social Sculpture). Jeder Mensch – so der Grundgedanke – ist ein Künstler und die Kreativität (die der Kunst zugrunde liegt) das Kapital in der modernen Gesellschaft. Beuys‘ Ausspruch „Kreativität ist Kapital“ aus den 1970ern ist wahrhaft prophetisch – besser lässt sich der Bedarf der digitalen Wirtschaft heute kaum auf den Punkt bringen.

Eines von Beuys‘ bekanntesten sozialen Skulpturen, an denen Shelley Sacks mitwirkte, ist das documenta-Kunstprojekt „Honigpumpe am Arbeitsplatz“  (1977). In diesem sehenswerten Video erläutert Beuys selbst die Idee dahinter. Kurz zusammengefasst: Aus dem Diskurs der Menschen in der zeitgleich stattfindenden „Free International University“ entsteht der Honig, der die Gesellschaft voranbringt.

 

Trotz der immensen Aufmerksamkeit, die dieses Projekt auf sich zog, zeigte sich Shelley Sacks mit dem Ergebnis unzufrieden. Die Debatten – so erläuterte sie in ihrem Vortrag – blieben an der Oberfläche, ein sich gegenseitig befruchtender Diskurs fand nicht statt. Auch in diesem Punkt – so scheint mir mit Blick auf unsere heutige Debattenkultur – waren die Beuys’schen Werke der Zeit weit voraus.

 

Digitaler Wandel ist Kunst!

Keynote von Shelley Sacks zum Thema „Mensch und Kunst“.  Foto: © André Classen

Vor diesem Hintergrund erscheint es nur folgerichtig, dass Shelley Sacks ihre Erfahrungen und Erkenntnisse auch in die aktuelle „New Work“-Debatte einbringt. So entwickelte die Professorin für interdisziplinäre Kunst und Social Sculpture an der Oxford Brookes University u.a. eine meditative Praxis, deren Ziel es ist, den Menschen dabei zu helfen, sich selbst als Künstler zu erfahren und gemeinsam Veränderungen voranzubringen. Ihre Methode wurde bereits in verschiedenen Stadtentwicklungsprojekten erfolgreich realisiert. In ihrem Vortrag berichtete sie über ihren eigenen Werdegang und ihrer Auseinandersetzung mit dem Social Sculpture-Konzept, zugleich ließ sie die Teilnehmer die Wirkung ihrer meditativen Praxis ein Stück weit selbst erfahren.

Schließlich bereicherte Shelley Sacks die Diskussionen über den gesamten Veranstaltungstag hinweg mit geistreichen Beiträgen. Einer ihrer Einwürfe hat sich mir besonders stark eingeprägt, da er ihre Perspektive auf das Zusammenspiel von Kunst und moderner Wirtschaft verdeutlicht: Als Jessica Wigant von Deutsche Bahn HR Shared Services in einer weiteren (starken) Keynote von der Reorganisation ihres Unternehmens berichtete, kam die Frage auf, ob zur Unterstützung des Wandels auch künstlerische Elemente zum Einsatz kamen. An diesem Punkt meldete sich die Künstlerin zu Wort – ihr Einwurf: Die Re-Organisation des Unternehmens ist an sich schon ein künstlerischer Akt.

Meine volle Zustimmung! Es gibt kein Drehbuch für den digitalen Wandel. Mit Erbsenzählerei und Prozess-Engineering allein kommen wir in der modernen Wirtschaft nicht weiter – ganz gleich ob die Arbeitsplätze nun kunstvoll gestaltet sind oder nicht. Innovationen entstehen eben nicht als Ergebnis von Benchmarking-Initiativen. Stattdessen müssen wir, ob Führungskrafte oder Mitarbeiter, lernen, uns selbst ein Stück weit als Künstler zu begreifen und als solche zu agieren. Das heißt, unserer eigenen Kreativität zu vertrauen, mit Krisen produktiv umzugehen und die Unsicherheit als Normalzustand, ja sogar als Chance zu begreifen.

 

Von Künstlern lernen

Dabei lohnt es sich, den Künstlern – ob Maler, Bildhauer oder Tänzer – bei der Arbeit einmal über die Schulter zu schauen, so wie es das Bildungs- und Forschungsinstitut GAB München im Rahmen des Projekts „KunDien“ („Dienstleistung als Kunst – Wege zu innovativer und professioneller Dienstleistungsarbeit“) getan hat.

Closeup of female artist hands with paintbrushes

Bild: © istock.com / Anna Volobueva

Die Ergebnisse des Projekts wurden in dem Buch „Die Kunst der guten Dienstleistung“ (2012) aufbereitet. Ich empfehle, parallel oder alternativ dazu einen Blick auf die Präsentationen des Projektes, die das GAB kostenlos zum Download anbietet.

Die Präsentationen sind praxisnah und verständlich aufbereitet – aus meiner Sicht ein „Must Read“ für Mitarbeiter, Führungskräfte und Berater, die nach Konzepten und Leitbildern für die neue Arbeit suchen.

Hier meine persönlichen Favoriten:

 

Credo

Kunst und Wirtschaft rücken im Zuge des digitalen Wandels immer stärker zusammen. Die Bedeutung der Kunst für die neue Arbeit reicht allerdings weit über die künstlerische Gestaltung von Arbeitsumgebungen hinaus. Der Wandel selbst ist ein schöpferischer Akt. Um ihn erfolgreich zu stemmen, sollten wir uns stärker als Künstler begreifen und in diesem Rahmen unsere eigene Denk- und Vorgehensweise auf den Prüfstand stellen.

 

Dieser Artikel erschien ursprünglich auf Digitales-Wirtschaftswunder.de, dem Themenblog der QSC AG

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