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Publiziert am 11. Dezember 2019 von unter: ,

Zwischenruf im Echoraum: Office 365 gleich Digital Workplace!?

Digital Workplace: Mitarbeiter und Fachabteilungen sollten in die Bedarfsanalyse einbezogen werden. Bild: © Busakorn Pongparnit / Getty Images

Digital Workplace: Mitarbeiter und Fachabteilungen sollten in die Bedarfsanalyse einbezogen werden. Bild: © Busakorn Pongparnit / Getty Images

Microsoft setzte mit Office 365 im Digital-Workplace-Umfeld neue Maßstäbe. Doch wer die Microsoft-Produktfamilie zum Quasi-Standard für den Digital Workplace (v)erklärt, verkennt die Tragweite des Themas und riskiert einen Verlust an Akzeptanz in der Belegschaft. Für einen erfolgreichen Digital Workplace ist eine Technologieauswahl unabdingbar, die Alternativen und Erweiterungen zu MS Office 365 berücksichtigt – und der eine Bedarfsanalyse unter Mitarbeitern und Fachabteilungen vorausgeht.

An dieser Stelle kommentiert Dr. Andreas Stiehler, der als freiberuflicher Analyst, Berater und Autor unter anderem für teknowlogy | PAC tätig ist, regelmäßig Web-Beiträge exklusiv für die Leser des QSC-Blogs. Im Fokus: eine Twitter-Nachricht des Corporate-Learning-Experten Simon Dückert zu Microsoft Office 365 und Digital Workplace.

 

Corporate-Learning-Experte hält „Digital-Workplace-Diskussion“ für beendet

Anfang September postete Simon Dückert, einer der führenden Köpfe in der deutschsprachigen Corporate Learning und Social Collaboration Community, auf Twitter eine Nachricht, die mich irritierte: „Spätestens mit der breiten Verfügbarkeit von Office 365“, so heißt es darin,müssten wir die Themen Digital Workplace & Co. langsam hinter uns lassen. Was sind aus eurer Sicht die nächsten großen Themen?“.

Irritierend an diesem Tweet empfand ich weniger die Frage nach den nächsten großen Themen als vielmehr die implizite Annahme, mit Office 365 zuzüglich weiterer Komponenten aus der Microsoft-Produktfamilie sei nun ein Standard geschaffen worden, der alle Wünsche rund um den Digital Workplace zur allgemeinen Zufriedenheit abdecke. Problem gelöst, Thema abgehakt. Zeit, sich neuen Herausforderungen zuzuwenden.

 

Office 365 ist omnipräsent: Endlich mehr Zeit für die Menschen!?

Tatsächlich ist Simon Dückert mit dieser Annahme nicht allein. Der diesjährige IOM Summit, der den „Digital Workplace als Hub für die digitale Organisation“ in den Fokus stellte, fühlte sich zeitweilig an wie ein Treffen der „Office 365 Adoption Manager Community“. Microsoft musste das Event nicht sponsern und war seinen Cloud-Diensten für den Digital Workplace doch omnipräsent. Alternativen kamen kaum noch zur Sprache.

Viele Konferenzteilnehmer bemerkten dies, störten sich aber nicht daran. Im Gegenteil: Mit Microsoft als Quasi-Standard, so die gängige Meinung, scheinen die technischen (Integrations-)Probleme ja endlich gelöst. Damit wird Raum frei, um sich auf die Menschen (beziehungsweise die Annahme der Office-365-Produkte durch die Menschen) zu fokussieren. Und auf dieser Ebene gibt es ja ohne Zweifel noch immens viel zu tun.

Das Fazit von Dr. Peter Geißler, Head of Digital Workplace bei Communardo, zum IoM Summit auf LinkedIn illustriert diese unkritische Sicht: „Was mir persönlich in diesem Jahr aufgefallen und hängen geblieben ist? Keiner stellt mehr explizit eine IT Solution vor, die aufwendigst konzipiert, konfiguriert und designt wurde… Es konsolidiert sich gerade stark alles auf Teams, Office 365 und den Hub-Ansatz… und der richtige Umgang mit dem Mitarbeiter wird noch immer gesucht […].“

Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass ich den Fokus auf den Menschen bei einer Veranstaltung, auf der es um die Gestaltung der digitalen Zusammenarbeit geht, richtig und wichtig finde. Der Digital Workplace ist schließlich kein IT-Projekt, sondern ein ganzheitliches Transformationsvorhaben, das nur gelingen kann, wenn es von den Menschen mitgetragen wird. Die Vorträge beim IoM Summit lieferten hierfür zahlreiche Inspirationen. Und dennoch bin ich mit etwas gemischten Gefühlen von der Veranstaltung heimgekehrt. Was, so frag(t)e ich mich, sind die Kosten, wenn Unternehmen das Microsoft-Ökosystem ohne weitere Prüfung als Quasi-Standard für den Digital Workplace übernehmen beziehungsweise den Mitarbeitern und Fachbereichen vorsetzen?

 

Microsoft-Bashing fehl am Platz, Microsoft setzte mit Office 365 neue Maßstäbe

Dabei geht es mir nicht darum, die Funktionalitäten der Microsoft-Lösung zu bekritteln oder den Giganten aus Redmond als bösen Monopolisten zu brandmarken. In meiner Rolle als IT-Marktanalyst zolle ich den Verantwortlichen eher Respekt. Dem Unternehmen ist es schließlich (zumindest in der DACH-Region) gelungen, allen Unkenrufen und dem heftigen Gegenwind durch Google & Co. zum Trotz seine Vormachtstellung von den Desktops in die mobile Cloud-Welt zu übertragen, ja sogar noch auszubauen – und dabei auch die hierzulande notorische Cloud-Skepsis ein Stück weit zu überwinden. Das Management muss also Einiges richtig gemacht haben.

Sicher könnte man aus global-galaktischer Perspektive darüber diskutieren, dass mit der Vormachtstellung eines Anbieters die Innovationsfreude am Markt tendenziell sinkt. Diese Diskussion wäre aber eher ein Thema für die Wettbewerbsaufsicht denn für die Technologieentscheider. Die Letztgenannten sind schließlich primär dem Wohl ihres Unternehmens und nicht der allgemeinen Wohlfahrt verpflichtet.

Aus Perspektive der Entscheider wiederum – dies räume ich gerne ein – sprechen viele Gründe dafür, sich für Produkte der Microsoft-Familie im Digital-Workplace-Umfeld zu entscheiden. Neben der Stabilität des Anbieters gibt es eine große Partnerlandschaft und viel verfügbares Wissen aufgrund der großen Verbreitung. Die Integrationskosten erscheinen – so man denn im Microsoft-Ökosystem bleibt – vergleichsweise gering und die Interoperabilität lässt sich wegen der großen Verbreitung von Office 365 vergleichsweise einfach herstellen.

 

Digital Workplace braucht mehr als ein paar vorintegrierte Collaboration-Werkzeuge

Aber bietet die Kombi aus MS Teams, SharePoint, Skype, Yammer & Co. tatsächlich für alle Mitarbeiter und alle relevanten Use Cases in den Unternehmen die bestmögliche Lösung?! Ich behaupte: Nein! Klar kann man argumentieren, dass für herkömmliche Wissensarbeiter und klassische Büroarbeit MS Office 365 zwar nicht immer optimal, aber ausreichend ist (à la „MS Office 365 is just enough“).

Allerdings findet Zusammenarbeit in den Unternehmen nicht nur in den Büroetagen und zwischen Büroarbeitern statt. Auch die „Blue Collar Worker“ – dies wird in der Diskussion häufig vernachlässigt – sind zunehmend mit Wissensarbeit konfrontiert, haben aber oft ganz andere Anforderungen an die Zusammenarbeit. Vernachlässigt wird auch, dass die Integration der klassischen (DECT-)Telefonie zumeist ein integraler Bestandteil von Arbeitsplatzkonzepten im Rahmen der digitalen Fabrik und weiterer vertikaler Use Cases ist. Und nicht zu vergessen: Beim digitalen Arbeiten wird die Interaktion zwischen Menschen und Maschine immer wichtiger.

Bleibt noch hinzuzufügen: Wer den Austausch der Wissensarbeiter effektiv unterstützen will, sollte diese zunächst von Routinetätigkeiten befreien. Zum Digital Workplace gehört auch, angrenzende Prozesse aus einem Guss zu unterstützen – und dies auch mobil und ohne, dass man dafür verschiedene Apps aufrufen muss.

In all diesen Feldern, ob bei der Unterstützung der Zusammenarbeit über die Büroetagen hinaus, bei der Prozessautomatisierung und der Realisierung vertikaler Use Cases oder bei der Mensch-Maschine-Interaktion gibt es noch immenses Innovationspotenzial, und es zeigen sich auch deutliche Unterschiede zwischen den Lösungsangeboten.

 

Der Technologiemarkt ist vital: Es gibt vielfältige Alternativen (und Erweiterungen) zu MS Office 365

Tatsächlich hatte ich in den letzten Wochen mehrere Gelegenheiten, innovative Lösungsangebote als Alternative oder Erweiterung zu Office 365 kennenzulernen. Bei der „Damovo Connect“, der Kundenveranstaltung des UCC-Dienstleisters Damovo, präsentierten Technologieanbieter wie Avaya, Cisco oder Mitel innovative Möglichkeiten zur Automatisierung kommunikationsintensiver Prozesse. In der gleichen Woche berichtete mir der IT-Dienstleister Atos über ein neues Workplace-as-a-Service-Angebot für Großkunden, welches Googles G Suite Services mit Atos‘ Collaboration-Plattform Circuit und weiteren Atos Managed Workplace Services kombiniert – und im Abonnement-Modell mit integrierten Selbstbedienungsfunktionen, Automatisierungen und virtuellen Agenten verfügbar sei.

Schließlich besuchte ich im Herbst auch den Citrix Analyst Summit in Santa Clara (Kalifornien). Das Unternehmen Citrix, das hierzulande oft und fälschlicherweise noch ausschließlich als VDI-Spezialist wahrgenommen wird, präsentierte dort eine Digital-Workspace-Lösung, dessen Spannweite deutlich über die von Office 365 hinausreicht. Durch eine flexible Integration von Prozess- und Kommunikationsanwendungen, einschließlich Netzwerke und Geräte unter einer Oberfläche – so die Idee – lässt sich die Arbeitsumgebung deutlich effektiver und anwenderfreundlicher managen, absichern und optimieren.

Die wenigen Beispiele verdeutlichen: Der Technologiemarkt ist höchst lebendig und entwickelt sich dynamisch weiter. Es mag ja sein, dass sich MS Office 365 (zusammen mit weiteren Komponenten aus der Microsoft-Produktfamilie) nach Abwägung aller Argumente im Vergleich zu den genannten und vielen weiteren Angeboten im Digital-Workplace-Umfeld als überlegen oder „just enough“ erweist. Allerdings halte ich es für falsch, das Microsoft-Portfolio von vornherein zum De-facto-Standard für den Digital Workplace zu erklären und somit als gesetzt zu betrachten. Denn wer beim Digital Workplace auf eine sorgfältige Technologieauswahl – ausgehend von den Bedürfnissen der Mitarbeiter und Fachbereiche – verzichtet, riskiert eine suboptimale Gesamtlösung und – mindestens ebenso wichtig – Widerstände auf Seiten der Anwender.

 

Bedarfsanalyse im Nachgang zur Technologieentscheidung erzeugt allenfalls Stirnrunzeln

Tatsächlich wird heute in vielen Unternehmen die Technologieentscheidung (pro MS Office 365) bereits gefällt, bevor die eigentliche Bedarfsanalyse und Identifikation relevanter Use Cases überhaupt starten. Sprich: Das Top-Management entscheidet sich zunächst (zumeist aus Effizienzgründen) für eine Migration zu Office 365 und verkauft das Ganze dann als „Future Workplace“. Anschließend werden noch eine Handvoll Adoption Manager angeheuert, welche (im Nachgang zur Technologieentscheidung) den Konzern bereisen, um gemeinsam mit den Mitarbeitern griffige Use Cases für die vielen, frei Haus mitgelieferten Tools zu erarbeiten.

„Oh Nachtigall, ick hör Dir trapsen“, ruft da der (Ex-)Berliner in mir, das klingt eher nach Business-Theater denn nach „Future of Work“. Ich kann mir gut vorstellen, dass dies viele Mitarbeiter in den Unternehmen ähnlich sehen und bei der Diskussion möglicher Use Cases einmal mehr auf Durchzug schalten. Immerhin das Management dürfte zufrieden sein: Digital-Workplace-Diskussion abgehakt, what’s next?!

Keine Frage: Ich schätze das große Engagement der vielen frisch gebackenen Office-365-Adoption-Manager hoch ein. Auch ich sehe es bereits als einen Fortschritt, dass sich um die Akzeptanz der Mitarbeiter überhaupt bemüht wird. Durch den Office-365-Hype – auch das gestehe ich zu – kommen heute mehr Mitarbeiter in den Genuss moderner Collaboration Tools, als man sich vor einigen Jahren noch hätte erträumen können. Schließlich kann ich auch nachvollziehen, dass sich Social-Collaboration- und Corporate-Learning-Experten anstatt um Technologien endlich um die Menschen kümmern wollen.

Nur frage ich mich, ob sich auf diese Weise tatsächlich so viele Menschen für die digitale Zusammenarbeit begeistern lassen. Bedarfsanalysen beziehungsweise die Identifikation relevanter Use Cases im Nachgang zur Technologieentscheidung klingt für mich eher nach „Mitarbeiter mitnehmen“ denn nach „Mitarbeiter einladen oder gar ermächtigen“.

 

Digital Workplace hat vielfach keine Priorität – trotz und gerade angesichts des Office-365-Hypes

Darüber hinaus bin ich gespannt, wie nachhaltig das Top-Management die Arbeit der Adoption Leads beim Etablieren einer digitalen (Zusammen-)Arbeit noch mitträgt, wenn die Rezession und damit der Kostendruck stärker spürbar werden. Ich erinnere mich noch gut an einige „Social Collaboration Officer“, deren Posten den Sparzwängen während der letzten Rezession zum Opfer fielen.

Nur zur Erinnerung für die Teilnehmer des diesjährigen IOM Summit: Der renommierte Analyst Dion Hinchcliff sprach in seiner Keynote davon, dass der „Digital Workplace“ in den meisten Unternehmen bislang NICHT als strategisches Top-Thema gesetzt oder priorisiert sei. Der Office-365-Hype scheint dieser These auf den ersten Blick zu widersprechen, bei genauerer Betrachtung aber untermauert er sie eher.

 

Credo: Technologieoffenheit und Bedarfsanalyse im Vorfeld von Technologieentscheidungen sind beim Digital Workplace unabdingbar

Mein Credo im Ergebnis dieser Überlegungen: Wer als Digital-Workplace-Vorkämpfer oder ‑Evangelist die Zusammenarbeit im Unternehmen auf neue Beine stellen, Abläufe (auch jenseits der klassischen Büroarbeit) optimieren und die Employee Experience verbessern möchte, der sollte sich nicht mit Office 365 als De-facto-Standard zufriedengeben. Stattdessen sollte sie oder er für eine ordentliche Technologieauswahl, in deren Zuge verschiedene Alternativen betrachtet werden und der eine Bedarfsanalyse unter Einbindung der Mitarbeiter vorausgeht, plädieren.

Mit Blick auf den eingangs zitierten Tweet meine ich: Bevor wir Digital Workplace & Co. hinter uns lassen, sollten wir zunächst einmal versuchen, die Herausforderungen der Wissensarbeit(er) in ihrer ganzen Tragweite zu begreifen.

 

Nachlese: Stufen der Kompetenzentwicklung & Weg zum Digital Workplace

Passend zum Thema möchte ich Sie abschließend gerne noch auf einen sehenswerten Vortrag von Christoph Rauhut zur Digitalisierung im Mittelstandaufmerksam machen, der auf Youtube zur Verfügung steht:

Der Geschäftsführer des Beraternetzwerkes Real Networks adaptiert darin vier Phasen der Kompetenz-Stufenentwicklung (einem bekannten Lernmodell aus der Entwicklungspsychologie) für den digitalen Wandel in Unternehmen – im Video ab Minute 16. Demnach gilt es zunächst, uns unserer Digital-Inkompetenz überhaupt bewusst zu werden, um anschießend, basierend auf der nun „bewussten Digital-Inkompetenz“, Digital-Kompetenz zu entwickeln, indem Bedarfe spezifiziert und Lösungsmöglichkeiten erörtert werden:

Die vier Phasen des digitalen Lernens: aus dem Vortrag von Christoph Rauhut zur „Digitalisierung im Mittelstand“

Die vier Phasen des digitalen Lernens: aus dem Online-Vortrag von Christoph Rauhut zur „Digitalisierung im Mittelstand“ – im Video ab Minute 16. Quelle: https://youtu.be/TEug6bf_s2g

 

Ausgehend von einem solchen Lernprozess skizzierte Oliver Reithage, Digital Workplace Consultant bei Real Experts, in einem Blogbeitrag sechs Stufen auf den „Weg zum wirksamen Digital Workplace“.  Dieser Weg startet aus seiner (und meiner Sicht) idealtypisch bei Reflexion & Vision (Stufe 1), geht weiter über die Präzisierung der Anforderungen (Stufe 2) bis hin zu Rollout & Anpassungen (Stufe 6). Wohlgemerkt: Das Finden und Testen einer geeigneten Lösung erfolgt erst in den Phasen 4 und 5.

 

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