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Publiziert am 29. Mai 2018 von unter:

Zwischenruf im Echoraum: Kulturwandel durch Experimente?!

Bild: @istock.com/RichVintage

Zahlreiche Beispiele erfolgreich transformierter Unternehmen zeigen: Wer das sprichwörtliche Beharrungsvermögen von Organisationen durchbrechen will, kommt ums Experimentieren nicht herum. Um Musterbrüche einzuleiten, sollten tradierte Management-Grundsätze hinterfragt werden.

An dieser Stelle empfehlen und kommentieren Analysten von PAC regelmäßig Web-Beiträge. Heute im Fokus: „Musterbrecher – Der Film“ von Dr. Dirk Osmetz, Dr. Stefan Kaduk und Prof. Dr. Hans A. Wüthrich.

Analyse von „Musterbrechern“ als Forschungsprojekt

Schon die Geschichte hinter dem hier diskutierten (Film-)Projekt gleicht einem Musterbruch: Drei Forscher der Universität der Bundeswehr in München begeben sich auf die Suche nach Unternehmen, die es laut gängiger Managementlehre überhaupt nicht geben dürfte – eben weil sie dieser diametral zuwiderhandeln und damit auch noch wirtschaftlich erfolgreich sind. Über 15 Jahre hinweg führten sie mehr als 600 narrative Interviews und identifizierten dabei mehr als 60 erfolgreiche „Musterbrecher“.

Beim diesjährigen Hays-Forum hatte ich die Gelegenheit, einen Vortrag von Dr. Dirk Osmetz und Dr. Stefan Kaduk, die als Wissenschaftler an diesem Projekt mitwirkten und heute als „Die Musterbrecher“ beratend tätig sind, live zu erleben. Tatsächlich kannte ich im Vorfeld weder den Film noch die Protagonisten und war mir entsprechend unsicher, was von dem Vortrag zu erwarten war. Würde es ein rein akademischer Ausflug werden oder mal wieder ein Surfen auf der Agilitätswelle?

Beides war nicht der Fall. Vielmehr brach auch ihr Vortrag auf angenehme Weise mit den üblichen Mustern. Die beiden Forscher verzichteten auf lange wissenschaftliche Abhandlungen ebenso wie auf die üblichen, im Zuge des Agilitätshypes kursierenden Buzzwords. Stattdessen präsentierten sie vielfältige Beispiele von Unternehmenslenkern, die ihre Organisation in unterschiedlicher Form auf den Kopf gestellt haben.

„Normale“ Unternehmen im Fokus der Analyse

Dabei handelt ihr Vortrag sowie auch ihr Film nicht von den „üblichen Verdächtigen“ – also den Technologie-Startups, die derzeit als Halbgötter der Agilität in der Presse gefeiert werden. Vielmehr stehen klassische Unternehmen aus eher unverdächtigen Branchen – u.a. ein Spezialist für Ladegutsicherung, ein bayrisches Bahnunternehmen oder eine Schweizer Zollbehörde – im Mittelpunkt.

Auf den ersten Blick erinnert „Musterbrecher“ an „Augenhöhe“ – ebenfalls ein Filmprojekt, das Unternehmen vorstellt, die in puncto Führung, Organisation und Zusammenarbeit alternative Wege gehen. Einige Protagonisten wie Mitarbeiter und Manager des Ladegutsicherungs-Spezialisten allsafe kommen sogar in beiden Filmen zu Wort. Kurz gesagt: Wer nach Mut machenden Beispielen für die Umsetzung alternativer Managementkonzepte sucht, dem seien beide Filme ans Herz gelegt.

Wer darüber hinaus noch etwas mehr Analyse und fundierte Ansatzpunkte für den praktischen Gebrauch erwartet, dem empfehle ich ausdrücklich das Projekt „Musterbrecher“. Der etwas akademischere Ansatz wird hier sichtbar – und zahlt sich aus. So verknüpfen die Forscher die Präsentation der Unternehmensbeispiele geschickt mit einigen Botschaften aus der Analyse, die sich – weil logisch hergeleitet und mit konkreten Beispielen kombiniert – einfach verinnerlichen lassen.

Wer Haltungen ändern will, sollte Experimente wagen!

Eine der Kernbotschaften, die seit Vortrag und Film in meinem Kopf kursieren, lautet: „Haltungen lassen sich nur durch Experimente verändern – nicht durch Projekte“. Organisationen – so die beiden Forscher – streben nach Stabilität und lassen sich deshalb nicht aus sich heraus verändern. Change-Projekte scheitern regelmäßig an den Erfahrungen der Mitarbeiter mit dem gelebten System. Um eine neue Kultur zu schaffen, müsse man experimentieren und so für neue Erfahrungen sorgen.

Dabei sind die präsentierten Experimente enorm vielschichtig. Die Spanne reicht vom Unternehmer, der sich für vier Monate auf Weltreise begibt, sich damit in seiner bisherigen Funktion überflüssig macht und so nach seiner Rückkehr seine volle Aufmerksamkeit auf die Expansion des Unternehmens richten kann – bis hin zu einer Schweizer Zollbehörde, in der die Führungskräfte zweier Abteilungen für einige Monate die Rollen tauschen und so letztlich die latenten Grabenkämpfe beenden.

Im Nachgespräch berichteten Dr. Osmetz und Dr. Kaduk aber auch von Kleinstexperimenten, die sie im Rahmen ihrer Beratertätigkeit begleiten. So sei es schon für manche Behörden ein Experiment, wenn sich die Mitarbeiter einmal wöchentlich persönlich zusammensetzten, um sich über aktuelle Probleme auszutauschen. Ein Musterbruch, denn bis dato war dies im System eben nicht vorgesehen bzw. aus Effizienzgründen unterlassen worden.

Musterbrecher sind mutig, aber keine Hasardeure

Ich bin mir nicht sicher, ob Experimente die herkömmliche Kulturarbeit komplett überflüssig machen. Aber auch ich halte das Experimentieren bzw. die dabei generierten neuen Erfahrungen für unerlässlich, um das sprichwörtliche Beharrungsvermögen von Organisationen zu überwinden. Nicht umsonst spielen „neue“ Erfahrungen auch eine zentrale Rolle in Transformationsansätzen, die sich auf aktuelle Erkenntnisse der Neurowissenschaften stützen. Siehe hierzu auch meine Artikelreihe zur „Psychologie des digitalen Wandels“.

Natürlich dürfen Experimente auch scheitern. Passend hierzu wieder ein schöner Merksatz der beiden Forscher: „Zwar funktioniert nicht alles, was ausprobiert wird. Aber alles was funktioniert, wurde irgendwann mal ausprobiert“. Dem kann ich nur zustimmen: In einem zunehmend komplexen Umfeld wird eine detaillierte Planung immer mehr zur Illusion, wir kommen um das Experimentieren nicht herum. Ein Interview mit dem Ex-Controller Niels Pfläging, das ich vor einigen Wochen für Digitales Wirtschaftswunder kommentierte, bringt dies ebenfalls gut auf den Punkt.

Dabei sind die Unternehmer, die im Rahmen des Projektes als Musterbrecher identifiziert wurden, keine Hasardeure. „Sie verstehen“, so die Forscher, „sowohl im als auch am System zu arbeiten“. Genau das steckt hinter dem Begriff „Ambidextrie“, der vor Kurzem im Fokus dieser Kolumne stand: Einerseits das System optimieren, es andererseits aber kontinuierlich in Frage stellen. Klar ist aus Sicht der Forscher allerdings auch: Den überwiegenden Teil ihrer Aufmerksamkeit sollten die Unternehmenslenker der Arbeit am System, also dem Experimentieren, widmen.

Credo: Nicht labern, experimentieren!

Und wo konkret sollten die Unternehmen mit den Experimenten ansetzen? Auch hierfür haben die Musterbrecher klare und leicht zu verinnerlichende Botschaften parat. Im Kern beschäftigen sich die meisten Experimente in den untersuchten Unternehmen damit, „Management-Firlefanz wegzulassen“, „Plastikwörter [also gern genutzte Standardbegriffe zur Beschreibung von Unternehmenswerten wie Nachhaltigkeit und Kundenliebe] mit Leben zu füllen“ und die „Effizienz durch Verschwendung“ (in die Mitarbeiter) zu erhöhen. Denn letztlich bestehe Führung darin, „Beziehungen zwischen Menschen positiv zu gestalten“.

Doch schauen Sie den Film gerne selbst. Die ein oder andere Botschaft daraus mag ihnen aus anderen Diskussionen schon bekannt vorkommen – doch schöner und anschaulicher kann man sie kaum verpacken. Und wer es als Führungskraft doch etwas zackiger mag – hier meine Zusammenfassung: Beendet das Businesstheater, hört auf zu labern und kümmert Euch um die Mitarbeiter! Experimentieren ist doch gar nicht so schwer, oder?

Dieser Artikel erschien ursprünglich auf Digitales-Wirtschaftswunder.de, dem Themenblog der QSC AG

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