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Publiziert am 7. Januar 2019 von unter: ,

Ambidextrie-Studie 2018 (4): Projektwirtschaft und Emotionen

Sinnkrise

Quelle: ©istock.com/PeopleImages

Immer mehr Innovationsprojekte scheitern. Um eine erfolgreiche Projektumsetzung zu gewährleisten, sollte neben dem herkömmlichen Projektmanagement ein professionelles Akzeptanzmanagement etabliert werden. Die Mitarbeiter sollten emotional abgeholt werden, um deren Akzeptanz zu gewinnen.

 

Hintergrund

Dr. Andreas Stiehler diskutiert in dieser Beitragsreihe exklusiv für den QSC Blog ausgewählte Kernergebnisse der aktuellen Hays-Studie „Zwischen Effizienz und Agilität – Unternehmen im Spannungsfeld des digitalen Wandels“ – ein gemeinsames Projekt der Hays AG und PAC. Die untersuchten Spannungen resultieren aus der Herausforderung, sowohl neue Themen im Unternehmen voranzubringen („explore“), als auch das Kerngeschäft weiterzuentwickeln („exploit“). In Fachkreisen spricht man in diesem Zusammenhang auch von Ambidextrie (Beidhändigkeit).

Mehr als 220 Führungskräfte aus mittleren und großen Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz wurden zu diesem Thema telefonisch befragt.

Im Fokus heute: Das Scheitern von Projekten

 

Jedes fünfte Innovationsprojekt scheitert – Tendenz steigend

Die Projektwirtschaft hat Hochkonjunktur: Immer mehr Mitarbeiter, so zeigen die Ergebnisse der Hays-Ambidextrie-Studie, sind parallel zu ihrer Arbeit in der Linienorganisation auch in projektwirtschaftlichen Strukturen eingebunden. Man braucht nicht viel Fantasie, um zu erahnen, dass diese Entwicklung immense Herausforderungen für Mitarbeiter und Führungskräfte mit sich bringt. Und während die einen die Grenzen der Belastbarkeit erreicht bzw. schon überschritten sehen, klagen die anderen über die Zunahme von Konflikten an der Schnittstelle zwischen Linien- und Projektorganisation.

Es kommt aber noch dicker: Die Aussagen der befragten Führungskräfte lassen darauf schließen, dass heute etwa jedes fünfte Projekt scheitert, also ohne Erfolg abgebrochen wird oder seine Ziele nicht erfüllt. Absolut gesehen, lässt sich diese Quote von 20 Prozent nur schwer einordnen. Zum Vergleich: Die oft zitierte Chaos-Studie der Standish Group berichtete regelmäßig von zirka 70 Prozent gescheiterten IT-Projekten. Dagegen erscheinen die 20 Prozent gescheiterten Innovationsprojekte – wie in der Ambidextrie-Studie ermittelt – schon fast „akzeptabel“. Allerdings steht der Chaos-Report wegen seiner unklaren bis zweifelhaften Methodik regelmäßig in der Kritik, und viele renommierte Forscher und Kritiker gehen von deutlich niedrigeren Werten im unteren zweistelligen Prozentbereich aus.

Aber unabhängig von der absoluten Höhe: Als wirklich Besorgnis erregend empfinde ich die Entwicklung des Anteils gescheiterter Innovationsprojekte im Zeitverlauf. Tatsächlich wurde vor zirka drei Jahren im Rahmen der Hays-Studie „Von starren Prozessen zu agilen Prozessen“ den Führungskräften in einer ähnlich zusammengesetzten Stichprobe schon einmal die gleiche Frage gestellt. Damals lag die Quote noch bei etwas mehr als 15 Prozent. Sprich: Das Risiko des Scheiterns von Innovationsprojekten scheint in den letzten Jahren signifikant (um zirka 50 Prozent) gestiegen zu sein.

 

Ergebnis deutet mehr auf ungeeignete Strukturen denn auf steigende Risikofreude hin

Auch dieses Ergebnis lässt sich mit etwas gutem Willen in ein positives Licht rücken. So könnte man mutmaßen, dass die Unternehmen hierzulande endlich mehr ausprobieren – und damit auch bereit sind, ein Scheitern von Projekten eher in Kauf zu nehmen. Immerhin fordern ja auch viele Marktbeobachter – darunter die Autoren der Hays-Studie – zu mehr Experimentierfreude auf.

Aber spricht unser empirischer Befund nun tatsächlich dafür, dass mehr Unternehmen bewusst (kontrollierte) Musterbrüche in der Organisation wagen? Ich glaube eher nicht. Ganz im Gegenteil: Die befragten Führungskräfte plädieren im Zuge der Befragung vielmehr für ein beherztes „Weiter so!“. Die Mehrheit will bestehende Abläufe optimieren, anstatt die Selbstorganisation auszubauen. Sie setzt auf Effizienzsteigerung (im herkömmlichen Sinne) statt auf die Erhöhung der Agilität – auch wenn im Ergebnis Effizienz und Agilität gleichermaßen „mau ausfallen. Mit anderen Worten: Die Bereitschaft, die Diagnose zu hinterfragen, ist bislang in den Unternehmen hierzulande denkbar gering ausgebildet. Stattdessen verabreichen viele Führungskräfte weiter die gleiche Medizin, nur mehr davon.

Diese Deutung trifft offensichtlich auch auf die Organisation und das Management der Innovationsprojekte zu. So weist die Studie die gleichen Top-Gründe für das Scheitern der Projekte aus wie bereits vor drei Jahren. Die Liste wird angeführt von einer unrealistischen oder überambitionierten Projektplanung. Darüber hinaus beklagen die Führungskräfte, dass die Ziele unklar definiert sind, wichtige Entscheidungen im Projektverlauf nicht getroffen werden, das Projektmanagement zu wenig agil ist sowie die Anwender nur unzureichend oder zu spät eingebunden werden.

Sprich: Den Unternehmen ist es – trotz Agilitätshype – in den letzten Jahren offensichtlich nicht gelungen, die Ursachen für das Scheitern von Innovationsprojekten zu beheben. Währenddessen ist das Umfeld noch komplexer und unsicherer geworden (Stichwort: VUCA), womit sich im Ergebnis das Risiko des Scheiterns von Innovationsprojekten erhöhte.

 

Agile Methoden kommen nicht zum Einsatz oder bleiben ohne Wirkung

Apropos Agilitätshype: Immerhin 63 Prozent der Führungskräfte halten den Einsatz agiler Methoden für wichtig, 21 Prozent davon sogar für essenziell – was angesichts der benannten Ursachen für das Scheitern nur konsequent ist. Allerdings können auch agile Methoden nur wenig bewirken, wenn sie falsch bzw. in einem ungeeigneten Umfeld realisiert werden.

Tatsächlich räumen fast 80 Prozent der Verantwortlichen, darunter auch mehr als drei Viertel der IT- und R&D-Verantwortlichen, fehlende Methodenkenntnis als Hemmnis für deren Umsetzung ein. Mehr noch: Knapp zwei Drittel der Befragten nennen die konservative Unternehmenskultur als zentrales Hindernis für die Umsetzung agiler Methoden. Sprich: Es fehlt das für die erfolgreiche Umsetzung der Methoden notwendige Maß an Offenheit, Fehlertoleranz, Transparenz etc.

Nach mehreren Jahren Dauerbeschallung in Sachen Agilität ist dieses Ergebnis ein Armutszeugnis. Es zeigt, dass die große Anzahl bunter Folien und blumiger Worte auf den vielzähligen Konferenzen zu diesem Thema eher auf ein großes Schaulaufen der Verantwortlichen denn auf deren unbedingten Willen zum Wandel hinauslaufen. Und es zeigt auch, dass ein Hype wie beim Thema „Agilität“, der mit oft undifferenzierten Forderungen à la „Etablierte Unternehmen sollen wie Start-ups agieren“ einhergeht, der Sache im Zweifel eher schadet als nützt.

 

Ansatzpunkte für Verbesserungen sind bekannt, werden aber nicht budgetiert

Und nun? Wird der Anteil der gescheiterten Innovationsvorhaben weiter steigen – und damit einhergehend die Frustration unter Mitarbeitern und Führungskräften weiter zunehmen?

Immerhin ahnen die meisten Führungskräfte, wo angesetzt werden sollte, um die Situation zu verbessern. Die Mehrheit der Befragten hält die Schaffung eines gemeinsamen Zielbilds, die frühzeitige Einbindung von Anwendern und die Gewährleistung eines kontinuierlichen Kommunikationsflusses zwischen den Projektbeteiligten für essenziell. Das sind auch genau diejenigen Faktoren, die mir projekterfahrene Verantwortliche aus IT-Anwenderunternehmen in Expertengesprächen regelmäßig mit auf den Weg geben – und die eine Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung agiler Methoden darstellen.

Quelle: Hays-Studie „Zwischen Effizienz und Agilität – Unternehmen im Spannungsfeld des digitalen Wandels“

Einziges Manko dabei: Genau diese Maßnahmen, die eher auf weiche Faktoren wie die Akzeptanz der Mitarbeiter einzahlen, lassen sich aus Sicht der Führungskräfte in der Praxis am schwierigsten umsetzen (wie die Studie ebenfalls belegt). Das Aufsetzen eines vernünftigen Projektmanagements mit klar definierten Milestones und KPIs sowie einer ausgeklügelten Zuteilung von Zeiten und Budgets erscheint dagegen als Kinderspiel. Aber dieses Verhältnis spiegelt sich – Stand heute – nicht in der Kalkulation der Projektaufwände wider!

Im Gegenteil: Viele Unternehmen investieren immense Summen in hochbezahlte Projektmanager und Projektsteuerungsprogramme. Das Ringen um die Akzeptanz der Betroffenen oder die Sicherstellung einer reibungslosen Kommunikation werden dagegen immer noch allzu oft als Nebenaufgabe betrachtet, die keiner professionellen Begleitung bedarf. Und wenn die Ziele beim nächsten Mal wieder nicht erreicht werden, beginnen die politischen Spielchen um die Schuldzuweisung von vorne – das System selbst wird dagegen nicht hinterfragt.

 

Mit Akzeptanzmanagement sollten die Mitarbeiter auch emotional erreicht werden

Um klar zu sein: Ich halte das herkömmliche Projektmanagement nach wie vor für wichtig. Ohne eine professionelle Koordination würden viele Projekte in dem zunehmend agilen Umfeld vollkommen aus dem Ruder laufen. Allerdings sollte ein professionelles Projektmanagement um ein ebenso professionelles Akzeptanzmanagement ergänzt und der notwendige Aufwand hierfür entsprechend veranschlagt werden.

Der Begriff „Akzeptanzmanagement“ stammt übrigens ursprünglich aus Produktentwicklung und Marketing. Das Ziel dieser Disziplin besteht traditionell darin, die Angebote besser auf die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden anzupassen und sie emotional erlebbar zu machen, um so die „Customer Experience“ zu optimieren.

Aber auch Mitarbeiter, die von solchen Innovationsvorhaben betroffen sind, haben Wünsche und Bedürfnisse. Um deren Akzeptanz zu gewinnen und so das Risiko eines Scheiterns von Projekten zu minimieren, lohnt es sich, diese umfassend emotional abzuholen. Frank Schabel, Co-Autor der Ambidextriestudie brachte dies in einem aktuellen Blogbeitrag zum Thema Change auf den Punkt: „Nur wenn er die Emotionen von Menschen positiv berührt, fließt Change.“

Kurzum: Neben der „Customer Experience“ sollte auch die „Employee Experience“, also die „Erfahrung“ der von den Innovationsvorhaben Betroffenen, stärker in den Fokus der Projektarbeit rücken.

 

Credo:

Eine rein mechanische Projektsteuerung reicht nicht aus, um Innovationsprojekte in einem zunehmend agilen Umfeld zum Erfolg zu bringen. Um das Risiko des Scheiterns zu begrenzen, sollte also das herkömmliche Projektmanagement um ein professionelles Akzeptanzmanagement erweitert werden. Nur wenn die Betroffenen auch emotional erreicht und abgeholt werden, lassen sich Projekte zu einem erfolgreicheren Abschluss bringen.

 

Alle Beiträge dieser Serie:

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