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Publiziert am 8. August 2019 von unter: ,

Rollentausch beim Digital Workplace: Personaler als Regisseur?!

Regiestuhl im Vordergrund

IT oder Personal: Wer führt Regie bei der Einführung des Digital Workplace? Bild: © selimaksan / Getty Images

Im Vorfeld des IOM Summit 2019 initiierte der Publizist Bjoern Negelmann eine Blogparade #digitalarbeiten zur Frage “Wie lässt sich das digitale (Zusammen-)Arbeiten in Unternehmen nun endlich voranbringen? Wer darauf Antworten sucht, kommt meines Erachtens nicht umhin, auch (neu) über die Rolle von HR bei der Gestaltung des DigitalWorkplace nachzudenken. Denn der Digital Workplace ist kein IT-Projekt, sondern Teil eines umfassenden Transformationsvorhabens zur Verbesserung der Employee Experience. HR scheint prädestiniert und hätte allen Grund dazu, hierbei die Regie zu übernehmen – müsste sich hierzu aber zunächst selbst transformieren und aus der angestammten Verwalterrolle lösen. Ein Appell an den Gestaltungswillen der Personalmanager.

 

Beim Digital Workplace rückt die Optimierung der Employee Experience in den Fokus

Der Digital Workplace gilt bis heute in vielen Unternehmen als Domäne der IT. Dies ist auf den ersten Blick nachvollziehbar: Es bedarf schließlich einer reifen IT-Organisation, um die mit der Modernisierung der Arbeitsumgebungen einhergehende (und gewünschte) Vielfalt an Werkzeugen vernünftig zu managen und zu betreiben. Stichwort: Managed Diversity. Allerdings zielt der Digital Workplace nicht allein darauf ab, Chaos beziehungsweise den sprichwörtlichen IT-Wildwuchs zu vermeiden, sondern neue Arbeitsstile zu etablieren sowie (damit verbunden) die Zufriedenheit, das Engagement und die Produktivität der Mitarbeiter zu steigern. Das passende Stichwort hierzu lautet „Employee Experience“ (EX).

Das Thema ist nicht gänzlich neu – und wurde auch an dieser Stelle bereits mehrfach (hier und hier) diskutiert. Tatsächlich betrachten große Digital-Beratungen wie Accenture die Employee Experience längst als „new battleground for competitive advantage“, also als neuen, zentralen Faktor im digitalen Wettbewerb, und ordnen ihr eine mindestens ebenso große Bedeutung zu wie der Customer Experience. Letztlich – so die Idee – sind Customer Experience und Employee Experience zwei Seiten der gleichen Münze, mit der im digitalen Zeitalter gezahlt wird. Oder als Formel ausgedrückt: exzellente Customer Experience + exzellente Employee Experience = Digital Excellence.

 

Bei der EX-Optimierung gelangt die IT an ihre Grenzen

An dieser Stelle ist es wichtig zu erwähnen, dass Employee Experience ein weit umfassenderes Konzept als die in der IT geläufige „User Experience“ ist. Letztlich bezeichnet sie die Summe aller Erfahrungen, welche die Mitarbeiter im beruflichen Kontext – auf Neudeutsch: an allen Touchpoints entlang der Employee Journey – sammeln. Die für die Motivation und Produktivität so maßgebliche Employee Experience wird also nicht allein von der technischen Infrastruktur, sondern ebenso von der räumlichen Umgebung sowie von Organisation und Führung beeinflusst. Man spricht in diesem Zusammenhang gern auch über die drei Ps: Platforms, Places & People.

Diese drei Ps bedingen sich zudem noch gegenseitig: Die besten und benutzerfreundlichsten Collaboration-Werkzeuge, zum Beispiel, werden den Mitarbeitern nur wenig Freude bereiten, wenn die soziale Vernetzung im Unternehmen nicht von Organisation und Führung mitgetragen wird. Die zahlreichen Intranet- und Enterprise-Social-Networking-Leichen in den Unternehmen bieten hierfür ausreichende Belege.

 

Kurzum: Die IT kommt an dieser Stelle an ihre Grenzen. Um die Employee Experience zu optimieren, müssen HR, Facility Management, Fachbereiche und Top-Management mit ins Boot genommen werden. Mit anderen Worten: Der Digital Workplace ist – wenn man damit die Employee Experience optimieren will, und genau dies wollen laut PAC-Studie drei Viertel der Unternehmen hierzulande – kein IT-Projekt, sondern Teil eines interdisziplinären Transformationsvorhabens.

 

HR scheint prädestiniert, die Regie zu übernehmen

Siegfried Lautenbacher. Bild: © Lauterbach / Beck et al.

„Interdisziplinäres Transformationsvorhaben“ klingt auf dem Papier zwar gut, dessen praktische Umsetzung in siloartig strukturierten Unternehmen ist jedoch enorm herausfordernd. Siegfried Lautenbacher, der als Geschäftsführer des IT-Dienstleisters Beck et al. bereits viele solcher Projekte begleitet hat, kennt die Probleme nur allzu gut: „Viele Initiativen sind schon als gemeinsame Projekte von IT, HR und oftmals Kommunikation angelegt. In der Realität gibt es dann oft ‚Teilprojekte‘, übertitelt mit: ‚IT‘ und ‚Adoption & Change‘. Da bleibt von ‚gemeinsam‘ noch der Jour fixe und das Gerangel um Ressourcen und Kompetenzen übrig. Die Fachbereiche haben unterdessen meist schon aufgegeben und sich ihre eigenen Lösungen gesucht.“

Der gute Wille aller Beteiligten, dies zeigen seine Erfahrungen (Interview hier zum Download), reicht für eine erfolgreiche Umsetzung solcher Vorhaben nicht aus. Es bedarf auch eines guten Regisseurs. Aber wer sollte diese Rolle übernehmen?! Die IT-Verantwortlichen, mit Verlaub, sind bislang weder als ausgemachte Kommunikatoren und Vermittler aufgefallen, noch zählt die Beglückung der Mitarbeiter (über die IT-Bereitstellung hinaus) zu deren innigstem Rollenverständnis.

Sie ahnen es, worauf die Diskussion hinausläuft: Wer, wenn nicht HR, sollte die Führungsrolle beim Digital Workplace einnehmen? Die Verbesserung der Employee Experience sollte für diese Gruppe schließlich eine Herzensangelegenheit sein. Und als Mittler an der Schnittstelle zwischen Mitarbeitern und Unternehmen sollten sie darin Übung haben, unterschiedliche Interessen auszutarieren.

 

Die Appelle an HR, endlich die Initiative zu ergreifen, werden lauter

Mit dieser Einschätzung bin ich nicht allein. Immer mehr IT-Dienstleister und Technologieanbieter, die im Digital-Workplace-Umfeld aktiv sind, richten ihr Augenmerk auf HR. Gleichzeitig macht sich in der New-Work-Bewegung nach und nach die Erkenntnis breit, dass für die Umsetzung neuer Arbeitsstile und Lernmethoden auch eine geeignete Infrastruktur notwendig ist. Sein und Bewusstsein, Sie wissen schon.

Im Zuge einer gerade vom IT-Dienstleister Damovo veröffentlichten Studie zur Rolle von HR beim Digital Workplace hatte ich selbst die Gelegenheit, mit elf ausgemachten Experten aus dem HR-, New-Work- und Digital-Workplace-Umfeld zu sprechen. Darunter waren sowohl namhafte HR-Berater als auch Verantwortliche führender Technologieanbieter im Digital-Workplace-Umfeld. Das Ergebnis konnte kaum eindeutiger ausfallen: Geradezu flehentlich appellierten die Experten an die HR-Verantwortlichen, doch endlich eine führende Rolle bei der Gestaltung des Digital Workplace einzunehmen.

Ein Engagement beim Digital Workplace eröffne den HR-Verantwortlichen schließlich auch die Chance, sich als Partner des Business zu etablieren und damit der leidigen Diskussion um den „Niedergang von HR“ aktiv entgegenzutreten. Zudem biete die Gestaltung des Digital Workplace die Basis, um Disziplinen wie HR-Analytics weiter auszubauen und innovative Formate zur Interaktion mit Mitarbeitern und Bewerbern (Video-Interviews, neue Feedback-Kanäle etc.) zu etablieren.

 

Doch viele Personaler zieren sich – und belassen es beim Klagen

André Häusling. Bild: © Häusling / HR Pioneers

Doch trotz der vielen Gründe (deren Aufzählung in der Studie noch weiter reicht) zieren sich bislang die meisten HR-Verantwortlichen. Anstatt sich aktiv um die Position des Regisseurs beim Digital Workplace zu bewerben, verbleiben sie lieber in der Rolle der Komparsen – und beklagen zugleich, dass ihre Belange bzw. die der Mitarbeiter nicht ausreichend berücksichtigt werden. Freilich gibt es kein Drehbuch, das HR die Rolle des Regisseurs automatisch zuschreibt. Wenn HR nicht darum ringt, dann bleibt das Thema eben weiter (als eines unter vielen) bei der IT –mit den bekannten Resultaten. Die Personaler dürfen sich derweil weiter mit der Rolle des Verwalters begnügen, der hier und da mal seine Meinung äußern kann – entschieden aber wird an anderer Stelle.

Den Ärger von André Häusling, Geschäftsführer von HR Pioneers, über diese Passivhaltung kann ich bestens nachvollziehen: Mir sind die Klagen vieler Personaler über die ungenügende Berücksichtigung bei Themen wie Digital Workplace bekannt. Allerdings fällt es mir zunehmend schwer, das damit einhergehende Selbstmitleid zu ertragen. Natürlich wartet da draußen keiner auf HR. Themen wie Digital Workplace bieten HR die Chance, sich als Business-Partner zu etablieren. Um diese Chance zu ergreifen, ist es aber notwendig, das eigene Büro zu verlassen und aktiv auf die Fachbereiche zuzugehen.“Wer es vorzieht, Widerständen aus dem Weg zu gehen, bleibt ein Verwalter

Professor Dr. Gunther Olesch. Bild: © Olesch / Phoenix Contact

Im Umkehrschluss hält es André Häusling (wie auch andere Experten) für notwendig, dass sich HR zunächst selbst transformiert – also nicht nur in akademischen Zirkeln über neue Arbeitsstile sinniert, sondern diese bei sich selbst etabliert. Mehr noch: HR sollte seine Kompetenzen erweitern, braucht mehr Business-Verständnis und ja, auch technisches Wissen. „Technologieabstinenz war früher vielleicht schick, heute ist sie Gift“, betont Siegfried Lautenbacher in diesem Zusammenhang. Und wer neues Wissen erwerben will, dies wissen die HR-Verantwortlichen selbst am besten, kommt nicht umhin, den Elfenbeinturm zu verlassen und sich mit anderen Wissensträgern zu vernetzen.

Schließlich gilt es beim Ringen um die Rolle des Regisseurs auch Widerstände zu überwinden. Prof. Dr. Gunther Olesch, der als HR-Verantwortlicher heute dem Vorstand von Phoenix Contact angehört und in dieser Rolle auch die Verantwortung für IT und Facility Management übernommen hat, weiß dies aus eigener Erfahrung: „Wer damit [mit den Widerständen] nicht umgehen kann und nicht in der Lage ist, mit seinen Argumenten zu überzeugen und mit seinen Ideen zu begeistern, bleibt letztlich in der Rolle eines Verwalters.“

 

Die Zeit der Ausreden ist vorbei!

Mein Credo nach den vielen Gesprächen: HR sollte sich die Chance zur Gestaltung des Digital Workplace nicht nehmen lassen – sowohl im eigenen Interesse als auch im Interesse der Mitarbeiter und des Unternehmens. Denn der Digital Workplace ist kein IT-Projekt, sondern Teil eines umfassenden Transformationsprogramms, dessen Koordination die IT letztlich überfordert. Der Fakt, dass immer mehr Technologieanbieter und Dienstleister (mit traditionell guten Kontakten zur IT) heute an HR appellieren, die Initiative zu ergreifen, spricht für sich.

Gleichwohl gibt es kein Drehbuch, welches HR automatisch die Führung zuordnet. Die Verantwortlichen müssen vielmehr selbst aktiv werden – und dies besser heute als morgen. Die Modernisierung der Arbeitsumgebungen läuft bereits auf Hochtouren, das Zeitfenster für eine Einflussnahme ist entsprechend kurz. Halten die Personalmanager dagegen ihre Abwartehaltung aufrecht, dann sollten sie sich auch nicht darüber beschweren, dass ihre Belange kein Gehör finden und die Daseinsberechtigung von HR (siehe „Der Personaler als Buhmann“) weiter in Frage gestellt wird. Es gibt mittlerweile genügend Beispiele, die belegen, dass es auch anders geht. Die Zeit der Ausreden ist vorbei!

 

Epilog: Employee Experience nicht nur erfahrbar machen, sondern gestalten!

Der Bundesverband für Personalmanager formulierte zu Beginn dieses Jahres ein Papier mit zehn Trends, welche das Jahr 2019 aus HR-Sicht prägen. Darin werden verschiedene Kernziele des Digital Workplace adressiert – von der Optimierung der Employee Experience über die Ausformung der „Future of Work“ bis hin zur Schaffung neuer Lernumgebungen. Gut so! Den Digital Workplace selbst beziehungsweise eine Einladung zu dessen Gestaltung sucht man freilich vergebens. Das finde ich wiederum schade.

So beschränkt sich der Verband der Personalmanager in seiner Arbeit bislang darauf, Employee Experience über Design-Thinking-Workshops erfahrbar zu machen und den organisatorischen Rahmen für Selbstorganisation und mobiles Arbeiten zu definieren. Diese Arbeit ist zweifellos wichtig und notwendig, aber aus meiner Sicht (und ausgehend von den Erkenntnissen der Expertenstudie) noch nicht hinreichend. Denn letztlich bleiben die Personalmanager damit in der Rolle der Erfüllungsgehilfen gefangen.

Für die HR-Trends 2020 wünsche ich mir, dass der Verband die Personalmanager ermutigt und (mit entsprechenden Angeboten) befähigt, die Regie beim Digital Workplace zu übernehmen. Die in diesem Beitrag diskutierte Expertenstudie bietet hierfür zahlreiche Ansatzpunkte.

 

Anmerkung: Dr. Andreas Stiehler hat bisher regelmäßig für das QSC-Themenblog „Digitales Wirtschaftswunder“ geschrieben. Wir freuen uns, dass er jetzt auch im Corporate Blog von QSC publiziert. Über die Auswahl und Analyse der Inhalte seiner Blog-Beiträge entscheidet der renommierte Analyst selber.

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