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Publiziert am 20. April 2017 von unter: ,

Psychologie des digitalen Wandels (3) – Räume für die „neue Arbeit“

Room with people

Bild: Shutterstock/dotshock

Die Verbesserung der „Employee Experience“ rückt immer mehr in den Fokus von Initiativen zur Modernisierung des Arbeitsumfeldes. Allerdings ist die Gestaltung von Arbeitsumgebungen ein komplexes Vorhaben. Ein Plädoyer für den Einsatz agiler Methoden bei der Workplace-Modernisierung!

Trotz besseren Wissens fällt es vielen Unternehmen schwer, aus tradierten Denk- und Verhaltensmustern auszubrechen. Dieser Mechanismus lässt sich aus psychologischer Sicht mit dem „Reality Loop“ des  Hypnotiseurs Alexander Hartmann sehr anschaulich beschreiben.  In unserer Serie zur „Psychologie des digitalen Wandels“ wird diskutiert, wie sich die Felder des Reality Loop konkret adressieren lassen, um den digitalen Wandel in Gang zu bringen. Schwerpunkt heute: Die Physiologie im weiteren Sinne – also die Gestaltung des Arbeitsumfelds.

„Employee Experience“ rückt in den Fokus der Workplace-Modernisierung

Das Zusammenspiel von Imagination, Physiologie und Erfahrung – wie von Alexander Hartmann in seinem „Reality Loop“ dargestellt – kennen wir alle aus dem persönlichen Erleben. Gehen wir mit einer positiven Einstellung (Imagination) in ein Kundengespräch, wirkt dies auf die Physiologie. Wir bewegen uns dynamisch und lächeln selbstbewusst, was uns dann zumeist von den Kunden wiedergespiegelt wird (Erfahrung). Und wir wissen auch: Die Physiologie lässt sich „gestalten“, indem man beispielsweise beim Telefonieren lächelt oder beim Vortrag eine aufrechte Haltung einnnimmt.

Aber lässt sich das Zusammenspiel aus Imagination, Physiologie und Erfahrung auch auf den Kontext von Unternehmen übertragen?

Davon zumindest gehen etwa drei Viertel der IT- und HR-Manager in deutschen Unternehmen aus: Sie erklären laut der aktuellen PAC-Studie „Digital Workplace in Europe“ die Verbesserung der Employee Experience zu einem zentralen Ziel bei der Gestaltung moderner Arbeitsumgebungen im Zuge des digitalen Wandels.

Mit dieser Haltung stehen sie nicht allein: Viele digitale Disruptoren aus dem Silicon Valley wie AirBNB oder Google haben längst HR- zu Employee Experience-Abteilungen umfunktioniert bzw. eigens „Chief Happiness Officer“ oder „Feel Good Manager“ im Einsatz  – ausgehend von der Prämisse, dass das Arbeitsumfeld auf die Physiologie und damit die Erfahrung der Mitarbeiter wirkt.

Und auch hierzulande steigt das Interesse an Themen wie „New Work“, „Digital Workplace“ oder „Arbeiten 4.0“. So gibt es immer mehr und gut besuchte Veranstaltungen wie die Digital Enterprise Arena auf der CeBIT oder die von Xing organisierte „New Work Experience“. Gleichzeitig wächst die Mitgliederzahl in Netzwerken wie intrinsify.me, die sich mit Fragen zur Neuen Arbeit und moderner Unternehmensführung auseinandersetzen.

Und das ist gut so! Schließlich reicht es für den digitalen Wandel nicht aus, nur eine neue Vision zu entwickeln, mit der sich die Mitarbeiter identifizieren können. Dies wäre Esoterik. Wenn Unternehmen sich zum Ziel setzen, den Kunden fortlaufend neue Innovationen zu präsentieren oder mit hoher Agilität im Kundenservice zu punkten, dann sollten sie auch die Innovationskraft und Agilität der Mitarbeiter fördern und ihnen Steine, die sie an der Erreichung dieser Ziele hindern, aus dem Weg räumen.

 

Wer die neue Arbeit gestalten will, muss die Vielfalt managen (lernen)

Allerdings reicht die Modernisierung des Arbeitsumfelds weit über die Einrichtung von bunten Sofaecken, Tischkickern oder die Frischobsttheken hinaus. Wer die Employee Experience verbesseren will, der sollte sich der Komplexität dieser Aufgabe bewusst sein – und bei der Realisierung entsprechender Initiativen einige, aus der agilen Projektentwicklung abgeleitete Grundsätze beachten.

So wird die Erfahrung der Mitarbeiter (Employee Experience) von einer Vielzahl an Faktoren beeinflusst. Die Spanne reicht von der Raumarchitektur über die technische Ausstattung und dem Support der Mitarbeiter bis hin zu Organisation, Führung und Bildung. Alle Einflussgrößen für die Employee Experience am Stück aufzulisten, verspricht ein abendfüllendes Programm.

Diese immense Vielfalt erklärt auch, warum Begriffe wie „New Work“ oder „Digital Workspace“ heute so vielfältig besetzt sind bzw. von so vielen unterschiedlichen Interessengruppen adressiert werden. So werden die einschlägigen Veranstaltung heute von Top-, IT-, HR-, Facility- oder Change- und Knowledge Managern ebenso wie von Organisations-, Social Collaboration- oder Corporate Learning-Experten besucht. Und alle sind sich darin einig, dass bei der Arbeitsgestaltung neue Wege beschritten werden müssen. Nur unterscheiden sich deren Ansätze und Ziele zum Teil sehr deutlich – eine gewaltige Herausforderung für die Koordination entsprechender Initiativen.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Budgets für die Modernisierung von Arbeitsumgebungen nicht in den Himmel wachsen. Der primäre Zweck von Unternehmen ist schließlich die Erfüllung von Kundenwünschen – nicht die „Mitarbeiterbeglückung“. Und damit die Unternehmen im Markt bestehen können, sollten die Einnahmen die Ausgaben übersteigen. Letztlich hätte eine Unternehmensschließung ja auch eine denkbar schlechte Auswirkung auf die Mitarbeitererfahrung. Kurzum: Eine Abwägung von Kosten und Nutzen ist angezeigt.

 

Ausgang ungewiss: Pauschalurteile helfen nicht weiter

Eine solche Abwägung – und die damit verbundene Abschätzung der Auswirkungen einzelner Modernisierungsmaßnahmen – ist wiederum enorm schwierig. Erstens beeinflussen sich verschiedene Umfeldfaktoren gegenseitig. Die Einrichtung von mobilen Arbeitsplätzen erzielt eben nicht die erwünschte Wirkung, wenn die Führungskräfte dauerhafte Präsenz einfordern oder das Unternehmen bei technischen Problemen keine Unterstützung gewährleisten kann.

Hinzu kommt, dass einzelne Maßnahmen von den Mitarbeitern je nach Persönlichkeit, Rolle oder Tätigkeit unterschiedlich „erfahren“ werden. Offene Büros sind für die einen Sehnsuchtsorte, für andere ein Graus – für manche Tätigkeiten sinnvoll, für andere unmöglich. IT-affine Mitarbeiter halten einzelne Anwendungen für perfekt, während andere diese als viel zu komplex empfinden.

Aus diesen Gründen sollten die Ergebnisse von Studien oder reißerische Artikel zur Wirkung der Modernisierung des Arbeitsumfelds auf die Employee Experience – à la „bunte Wände fördern Innovationsfähigkeit und Produktivität“ – mit großer Vorsicht interpretiert werden. So benötigt man schon eine immense Beobachtungszahl und ausgeklügelte Methoden oder wirkliche Laborbedingungen, um die (Wechsel-)Wirkung der vielen Faktoren zu kontrollieren. Und selbst wenn sich Wirkungszusammenhänge seriös ermitteln lassen, so helfen allgemeingültige Aussagen nicht weiter, wenn genau diejenigen Mitarbeiter, auf deren Performance es im Einzelfall ankommt, die Wirkung anders empfinden.

 

Bei Planung und Umsetzung ist Agilität gefragt

Kurz zusammengefasst: Die Unternehmen agieren bei Initiativen zur Verbesserung des Employee Experience in einem hochgradig unsicheren und komplexen Umfeld. Vor diesem Hintergrund ist die Umsetzung klassischer Projekt- und Change-Management-Methoden (Stichwort: „Wasserfall“) ebenso wenig erfolgversprechend wie unkoordinierte Ad-hoc- oder Alibi-Investitionen (Stichwort „bunte Sofas und Tischkicker“).

Was also tun? Tatsächlich sind die geschilderten Probleme den meisten Unternehmen nicht fremd.  Der Umgang mit Komplexität und Unsicherheit ist ihnen von Initiativen zur Verbesserung der Customer Experience – etwa bei der Modernisierung des Webauftritts oder bei der Implementierung mobiler Apps für die Kunden – bereits bestens bekannt. Auch hier stoßen Methoden des klassischen Projekt- oder Change Managements an ihre Grenzen. Um dennoch nachhaltige Verbesserungen zu bewirken, bedienen sich die Unternehmen hier zunehmend aus dem Baukasten agiler Methoden.

Agile Methoden für die Workplace-Modernisierung? Warum eigentlich nicht!? Konzepte wie Design Thinking, Scrum oder DevOps  müssen ja nicht zwingend 1:1  für die Gestaltung moderner Arbeitsumgebungen übernommen werden. Aber es lohnt sich aus meiner Sicht, einige Grundsätze daraus  – wie nachfolgend dargestellt – auch bei der Planung, Konzeption und Umsetzung von Initiativen zur Modernisierung von Arbeitsumgebungen zu übernehmen.

 

Credo: Grundsätze für die Modernisierung des Arbeitsumfeldes

Planung und Business Case: ROI-Berechnungen führen in die Irre,  die Modernisierung des Arbeitsumfeldes muss strategisch gewollt sein! Ohne Frage ist es notwendig, Investitionen in die Workplace-Modernisierung fundiert zu begründen. Die Workplace-Modernisierung ist schließlich kein Wunschkonzert. Aber klassische ROI-Rechnungen führen letztlich nur zu Businesstheater oder vollends in die Irre. Die Ausschöpfung von Kosteneinsparungsmöglichkeiten rückt formal in den Vordergrund, da diese sich ja gut quantifizieren lassen. Die Employee Experience, die man ursprünglich verbessern wollte, gerät dagegen aus dem Fokus.

Eine Modernisierung des Arbeitsumfeldes wird nur gelingen, wenn diese strategisch (vom Top Management) gewollt ist – und dabei Unsicherheiten in Kauf genommen werden. Gleichwohl ist es sinnvoll, die Auswirkungen von Maßnahmen bestmöglich zu messen. Nur sollten die Messdaten nicht als ultimative Fakten für ROI-Berechnungen, sondern vielmehr als Lernpunkte herangezogen werden, um auf dieser Basis die Maßnahmen fortlaufend nachzujustieren.

Konzeption und Koordination: Abteilungsübergreifende Zusammenarbeit ist der Schlüssel. Sicher sind IT-Verantwortliche aufgrund Ihrer Expertise prädestiniert, die Modernisierung der IT-Arbeitsumgebungen zu koordinieren – ebenso wie die Erfahrungen von Facility Management und HR bei der Raumgestaltung und Organisationsentwicklung gefragt sind. Angesichts der vielfältigen Wechselwirkungen lässt sich die „User Experience“ aber nur positiv gestalten, wenn die verschiedenen Kompetenzträger bei der Modernisierung zusammenarbeiten.

Insgesamt sollte bei der Umsetzung von „New Work“-Intiativen hinterfragt und abgewogen werden, inwieweit die klassische Zuordnung von Aufgaben an spezifische Abteilungen sinnvoll ist. Zumindest sollten Mitarbeiter aus unterschiedlichen Abteilungen bei der Planung und Umsetzung eingebunden werden – sowohl, um den Bedarf richtig zu erfassen und ggf. auch Vorbehalte frühzeitig zu identifizieren als auch um Verbündete in den Abteilungen beim Ringen um die Akzeptanz neuer Lösungen zu gewinnen.

Design: Flexiblität ist oberstes Gestaltungsprinzip. Die Mitarbeiter werden nur dann einen besseren Job machen können, wenn das Arbeitsumfeld optimal an ihre Bedürfnisse angepasst ist. Allerdings sind die zu adressierenden Bedürfnisse hoch-individuell und die Tätigkeiten in der Regel vielschichtig. Deshalb sollte bei der Gestaltung moderner Arbeitsumgebungen den Mitarbeitern größtmögliche Flexiblität eingeräumt werden. Schließlich wissen nur sie selbst, zu welcher Zeit, an welchem Ort sowie mit welchen Werkzeugen und Methoden sie am besten arbeiten.

Umsetzung: Experimentieren. Lernen. Nachjustieren. Viele Unternehmen sprechen bei der Modernisierung des Arbeitsumgebungen von einem Transformationsprojekt. Tatsächlich ist es aber weniger ein Projekt, das irgendwann abgeschlossen ist, also vielmehr ein fortlaufender Prozess. Gerade wegen der unsicheren Wirkung ist es notwendig, iterativ vorzugehen – Maßnahmen auszuprobieren und Piloten zu starten, daraus zu lernen und immer wieder nachzujustieren.

Über die Gestaltung des Umfelds haben die Unternehmen die Möglichkeit, die Erfahrung der Mitarbeiter positiv zu beeinflussen und so den Wandel zu unterstützen. Wie solche Erfahrungen dann von den Mitarbeitern interpretiert werden sowie ob und wie sich damit Glaubenssätze dauerhaft ändern lassen, ist Thema des nächsten und letzten Teils dieser Serie. Bis dahin freue ich mich auf Ihre Anmerkungen. Welche Erfahrungen sammeln Sie bei der Gestaltung moderner Arbeitsumgebungen in Ihrem Unternehmen? Und was halten Sie vom Einsatz agiler Methoden bei diesem Thema?

Weiterführende Inhalte:

Dieser Artikel erschien ursprünglich auf Digitales-Wirtschaftswunder.de, dem Themenblog der QSC AG

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